Zwei Götter: Eine Comicbiografie des Überklassikers E.P. Jacobs („Blake und Mortimer“) kratzt leider nur an der Oberfläche. Und die Comicadaption zu Darren Aronofskys „Noah“ entstand parallel zum Film, bietet wie dieser aber vor allem tolle Bilder.

Rodolphe/ Alloing
Der Fall E.P. Jacobs
(Carlsen)

Comicbiografien zu Comiczeichnern gibt es ja inzwischen einige. Dabei scheint sich als Regel durchzusetzen, dass die irgendwie aussehen müssen wie die Werke der Zeichner. Darum ahmt die Comicbiografie zu Hergé dessen Linge claire recht erfolgreich nach, und die mehrbändige Tezuka-Biografie ist ganz im Stil des späteren Studio Tezuka gehalten.

Dass Nachahmung furchtbar daneben gehen kann, zeigt der vorliegende Biocomic von E.P. Jacobs. Der stellte vor allem hinsichtlich Akkuratesse der Dekors und Gebäude seinen Meister Hergé (mit dem er zusammen an „Tim & Struppi“ arbeitete) in den Schatten, ehe er mit ihm brach und seine eigene Serie „Blake und Mortimer“ erfolgreich lancierte.

Die war weniger Narration – die zentralen Figuren waren nicht besondern kreativ – sondern vielmehr Atmosphäre. Jacobs führte das düstere Element, teilweise auch die Gewalt, den Nihilismus in den frankobelgischen Comic ein.

Dunkle, mindestens fragwürdige Aspekte finden sich auch in Jacobs Biografie. Aber nicht nur die Grafik dieses Buches – seitenweise sind es einfach nur Häuserfronten, aus denen Sprechblasen dringen, weil hinter den Wänden halt Menschen reden – ist höchstens entfernte Annäherung an das Vorbild. Auch an das Leben Jacobs trauen sich Rodolphe und Alloing nur mit Fingerspitzen ran.

Da fehlt dann fast das gesamte Privatleben der Person. Jacobs war Opernsänger, Comiczeichner und Schöngeist – viel mehr erfährt man nicht über ihn. Was ihn geprägt hat, was seine privaten Eigenheiten und Wünsche waren? Fehlanzeige.

Die belastende Geschichte seiner ersten Scheidung wird ebenso fast ganz ausgelassen wie das heikle Thema der Kollaboration der belgischen Comiczeichner mit den faschistischen Besatzern. Zwiespältige Personen wie der erste „Tintin“-Chefredakteur van Melkebeke kommen und gehen. Der Streit, der zum Bruch mit Hergé führte – Jacobs wollte die Anerkennung als de-fakto-Koautor an „Tim & Struppi“ – wird in grade mal einem Panel angedeutet.

„Zurückhaltung“ nennt Rodolphe diese Auslassungen im Nachwort. Womöglich hat er damit auch Recht. Aber unterm Strich bleibt der Band dadurch wenig mehr als ein akzeptabel bebilderter Wikipedia-Eintrag. Das „Leben für den Comic“, wie es im Untertitel heisst, ist leider selbst ein furchtbar lebloser Comic.

Carlsen, 112 S.; €19,90

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Aronofsky/ Handel/ Henrichon
Noah
(Egmont)

Es wird zur Regel, dass Aronofskys fantasylastigere Filme eine Comicumsetzung noch vor Filmstart erfahren. Das war bereits bei „The Fountain“ so, es ist bei „Noah“ erneut so.

Der schwankte schon in seiner Konzeption zwischen einer allzu wörtlichen Übernahme der alttestamentarischen Erzählung und der daraus folgenden Notwendigkeit, Dinge hinzuzuerfinden, weil die biblische Geschichte nach allem Menschenverstand nicht vollständig sein kann: allein der Bau eines so gewaltigen Kahns wäre von drei Menschen nicht zu bewältigen gewesen.

Der Comic entstand bereits parallel zu den Dreharbeiten, viele visuelle Unterschiede zum Film lassen erahnen, dass bei der Ausgestaltung der vier einzelnen Bände viel freie Hand gelassen wurde.

Niko Henrichon, den man hierzulande wohl am ehesten durch seinen Vertigo-Band „Die Löwen von Bagdad“ kennt, nimmt sich Raum für das Drehbuch, das auch im Kino vor allem dem Visuellen Platz gibt. Das weniger Charakterstudie ist und mehr Abhandlung darüber, was eigentlich gut ist an einer Figur, die die gesamte Menschheit ersaufen lässt, weil Gott ihm gesagt hat, das müsse jetzt so sein.

Der religiöse Fanatiker Noah ist der dunkle Mann in großen Tableaus, in auf Platz erzählten Episoden, die ihren Manga-Einfluss nicht leugnen können. Die Aufspaltung in vier Einzelalben – zusammen 250 Seiten stark – ist das größere Problem, weil sich die Drehbuchvorlage nicht an eine Vier-Akte-Struktur hält.

Sie lesen sich am besten am Stück, als visuelle Abhandlung über Dreck und Schlamm und Sünde und Tod. Jene Menagerie der geretteten Tierwelt, wie sie etwa auf dem Cover des vierten Bandes zu sehen ist, spielt visuell kaum eine Rolle. Das ist sicher vielsagend: der Mensch, der hier die Tiere retten soll, ist sich am Ende doch selbst am nächsten.

Henrichon, wie auch Aronofsky, verliebt sich in die Monster, die beim Bau der Arche helfen, und in die depressive Wuchtigkeit des Rettungsschiffes. Das ist freilich im Comic weniger eine Erfahrung als im Film, weil Aronofskys visuelle Umsetzung immer stark mit Rhythmus und Timing der Bilder spielt, vielleicht auch weil Henrichon den Figuren ihr Leid zu plakativ in Gestik und Mimik knallt.

Dennoch ist „Noah“ ein beindruckender Alben-Manga-Bastard, mit Betonung auf den visuellen Aspekten der Geschichte, genau wie in der Vorlage.

Egmont, 4 Bde., 48 – 72 S.; € 15,00 – 18,95

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