Teenager-Mobbing ist ein wichtiges Thema. Olivia Vieweg („Huck Finn“) nimmt sich der Sache an… und scheitert, wenn auch auf hohem Niveau.

null Dass Olivia Viewegs Comics, liest man sie in der Reihenfolge des Erscheinens, eine klare Erzählstringenz aufweisen, die immer wieder auf die Autorin selbst zurückzuführen ist, verführt zu dem Gedanken, es handele sich bei ihnen um wenigstens in Teilen autobiographische Geschichten.

Praktisch immer stehen junge Frauen im Mittelpunkt, deren Alltag kippt oder zu kippen droht: die beiden jungen Mädchen, die sich durch eine Zombielandschaft kämpfen müssen, in „Endzeit“, die feminisierte Jin in „Huck Finn“, oder eben die titelgebende Antoinette in diesem Comic.

Ausgehend von der alten Regel, dass Erzähler von den Dingen erzählen sollen, von denen sie sich auskennen, findet sich hier einer der Gründe für die Einfühlsamkeit und Lebendigkeit grade der weiblichen Figuren in Viewegs Comics.

Und doch… man möchte hoffen, dass sie bei „Antoinette kehrt zurück“ nicht weiss, wovon sie redet.

Es ist im Kern ein Comic über Mobbing. Das Thema ist im Comic nicht neu, wird aber meist in einem fantastischen Kontext gebraucht, etwa wenn aus dem gemobbten Peter Parker incognito Spider-Man wird.

Hier gibt es keine Fantastik. Oder doch? Antoinette ist eine smarte, aufstrebende Karrierefrau, die in der Vergangenheit und der psychischen, mitunter physischen Gewalt ihrer Mitschüler zu leiden hatte. Im hier geschilderten Plot brechen die Erinnerungen an diese Zeit bei einer notwendigen Rückkehr in ihre alte Heimat auf.

Man kommt nicht umhin, hier schon das fantastische, unreale der Situation zu bemerken. Antoinettes Aufstieg nach fast ganz oben in Hollywood entspricht dem alten „euch werd ich’s zeigen“-Gedanken, den sicher jeder, der gemobbt wurde, in Momenten der Demütigung hatte. Während die Tyrannen von früher in tiefster kleinbürgerlicher Mittelmäßigeit verharren, ist Antoinette nicht nur der Ausbruch gelungen, sondern ein unvergleichlicher Aufstieg.

Glaubwürdig ist das nicht. Das eine wie das andere, die Quälereien ebenso wie der Aufstieg, wirken übertrieben. Ist man allerdings noch gewillt, diese Übertreibung auf beiden Seiten zugunsten eines Erzählkontrastes hinzunehmen, wird die weitere Entwicklung der Geschichte schlicht ärgerlich.

Denn Antoinette ist auch zurückgekehrt, um Rache zu nehmen. Mit ein wenig Geld und ein wenig Gewalt ruiniert sie das Leben eines ihrer einstigen Peiniger. Es gibt keine Erlösung: die Geschichte endet mit dem Vollzug der Rache.

Ist das Fantasie? Oder sind die Ereignisse wirklich so gemeint, wie sie geschildert sind? Die Übertreibung der Ereignisse impliziert, dass es sich bei der ganzen Erzählung um eine Fantasie von Antoinette handelt, denn sie wirkt auf jeder Seite weitab vom realen Leben und Ereignissen, die realerweise geschehen können, eher wie ein Strang in einer Soap-Opera.

Gleichzeitig gibt es keinen konkreten Hinweis auf eine derartige Haltung als Meta-Erzählung. Kein einziges Panel impliziert konkret, dass es sich hierbei um eine Traumerzählung handelt.

Sollte das Buch tatsächlich so gemeint sein, wie es vordergründig zu lesen ist, dann enthält es die Botschaft, dass Rache gut ist. Grade vor dem Hintergrund, dass Mobbing ein riesiges Problem an Schulen und unter Teenagern ist, ist das eine unfassbar naive Botschaft.

„Antoinette kehrt zurück“ enthält nicht nur keine wirkliche psychologische Auflösung der innere Konflikte, die die Geschichte selbst vorgibt und die jedes Mobbing-Opfer durchmachen muss. Sondern letztlich, sollte es so direkt gemeint sein, bietet das Buch eine grundlegend falsche Botschaft. Rache heilt keine psychischen Verletzungen, und die Idee, dass man nur Karriere machen muss und dann seine Peiniger umbringen kann, ist bittersüß-falsch und lebensfern.

Zugunsten eines banalen Racheplots wurde eine Chance vertan, ein gutes Buch zu einem wichtigen Thema zu schreiben.

Olivia Vieweg
Antoinette kehrt zurück
Egmont Graphic Novel, 96 S.; € 14,99

Comments are closed.