In Deutschland kaum bekannt: die Comics von Fournier, die er abseits von „Spirou & Fantasie“ geschrieben und gezeichnet hat. Eine Gesamtausgabe macht einen Teil davon in Deutschlandzugänglich.

Fournier kennt man hierzulande vor allem als Autor und Zeichner von „Spirou & Fantasie“ in direkter Nachfolge von Franquin, und es mag wohl nicht nur am übermächtigen Schatten des Giganten Franquin gelegen haben, dass Fourniers Abenteuer des Pagen qualitativ wie inhaltlich deutlich abfielen.

„Bizu“ macht deutlich, dass die Ursache für die oft gestreckt und gekünstelt wirkenden Spirou-Abenteuer Fourniers eine simple Ursache haben mögen: Fournier ist kein Abenteuererzähler.

So ist „Bizu“ sowohl Offenbarung wie Überraschung. Wer Fournier bisher nur von „Spirou“ kannte (und viel mehr liegt von dem bretonischen Zeichner wohl nicht auf deutsch vor), der erlebt hier die Antithese zum Abenteuercomic. Und, was die eigentliche Verblüffung ist, es sind die besseren Comics Fourniers.

Die Grundidee des Comics ist simpel, auch nicht neu: ein Männlein lebt im Walde. Fournier greift klassische Volkslegenden von Zwergen und Trollen auf, sein Bizu ist ein bißchen von beidem, und ein wenig auch von einem Schlumpf: ein meist ziemlich gutgelaunter Waldwichtel mit immer mal wechselnden Marotten.

Grafisch steht „Bizu“ dabei nicht nur in der Tradition Franquins, sondern ebenso in der von Walt Kellys „Pogo“. Fourniers Waldvolk, jede Figur verschieden in Gestalt und charakterlicher Ausprägung, nimmt mehr als deutlich Anleihen bei Kellys Sumpftieren. Vor allem in Gestalt des superhaarigen Schnockbüll, der ein bretonischer Leib, wenn auch nicht Geistgenosse von Kellys misantrphischen Porky Pine zu sein scheint: wo Porky Pine vor allem durch seine miserable Laune auffällt, hinterlässt der Schnockbüll bei jedem Schritt Gänseblümchen.

Als weitere entfernte Verwandte mag man Tove Jansons „Mummins“ ansehen, die ebenso wie die Figuren in „Bizu“ durch hochgradige körperliche und charakterliche Diversität auffallen.

Das sind die schlechtesten Verwandten nicht. Wie die beiden anderen genannten Titel lebt „Bizu“ vom Zusammenspiel der Figuren. Nur zu Beginn scheint Fournier die Serie noch mehr oder minder realistisch verankern und Abenteuer erzählen zu wollen. Mit Fortschreiten der Erzählungen geht jeder Bezug zur Gegenwart oder zu unserer Realität verloren.

Die Geschichten ziehen sich zurück auf „ihren“ Wald und größtenteils auf die in ihm lebenden Figuren. Gleichzeitig werden die Geschichten, in unserem herkömmlichen Verständnis von Abenteuern, immer „kleiner“, immer privater. Bizu macht Urlaub an der Küste, trifft einen merkwürdigen Erfinder und einen stummen Mann.

Das mag banal erscheinen. Herkömmliche französische Abenteuercomics leben vom Zusammenspiel aus Mysterien und sich hochschaukelnden Gefahren, letztere meist ausgelöst durch äußere Bedrohungen.

Bei „Bizu“ hingegen wird von Anfang an das Ungewöhnliche als normal angesehen. So existieren in diesem Serienkosmos keine Mysterien. Auch keine Gefahren: was von Außen kommt, wird so gut es geht in die Gemeinschaft integriert.

Damit steht „Bizu“ in der idealistischen Tradition seiner Entstehungszeit, der späten Sechzigerjahre, ein Waldhippie, der mit allen in Frieden leben will, so wie alle anderen auch. Weil „Bizu“ aber kein realistischer Comic ist, kann er sich diese verträumte Grundhaltung leisten, ohne dass sie unglaubwürdig wirkt.

Fourniers Waldkosmos ist ein Universum in sich und für sich selbst, jede Episode eine kleine Träumerei, jede Erzählung ein Experiment darin, die Konventionen des frankobelgischen Comics, wie sie zur Entstehungszeit der Geschichten existierten, hinter sich zu lassen. Damit, indem er sich bewusst klein, auch leise, vor allem aber poetisch macht, tritt Fournier aus dem Schatten von Franquin hinaus.

Bizu Gesamtausgabe, Egmont Comic Collection, 240 S.; € 34,99

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