„Billy the Cat“ kennt man – naja, ein wenig: als okay erfolgreiche Trickfilmserie. Die der Serie zugrundeliegenden Comics waren in Deutschland immer ein Flop. Eine Gesamtausgabe versucht sich trotzdem an der Publikation des umfangreichen Materials.

Gerne wird der derzeitige Hang, frankobelgische Alben nicht mehr einzeln, sondern als sogenannte „Gesamtausgaben“ zu vermarkten, als Chance gesehen, seltenes und unbekanntes Material zu veröffentlichen.

Dabei sind die Editionen nach immer dem gleichen Schema konzipiert: drei bis vier Alben, ergänzt um mehr oder minder kenntnisreiche Vorworte. Relevant ist der höhere Preis, den man für die umfangreicheren Editionen nehmen kann, und der selbst weniger rentable Titel theoretisch wieder rentabel macht.

Aber natürlich stimmt das so nicht. Erfolg hat auf dem deutschen Comicmarkt, was schon immer Erfolg hatte, das sind vor allem Asterix, Lucky Luke, Tim & Struppi und die lustigen Taschenbücher. Nicht zufällig begegnen uns diese Titel immer wieder in verschiedensten Editionen, gefolgt von Neueditionen ebenfalls bereits seit Jahrzehnten lancierter Titel: Blueberry, Yoko Tsuno und viele mehr.

„Billy the Cat“ ist in gewisser Weise eine Ausnahme, denn die Serie war in Deutschland erfolgreich – aber nicht als Comic. Tatsächlich waren sowohl Egmont (drei Alben) wie Carlsen (5 Alben, davon die drei bei Egmont erneut, zwei Kurzgeschichten) daran gescheitert, das gesamte Material (11 Alben und diverse Kurzgeschichten) zu publizieren.

Gleichzeitig, also um die Jahrtausendwende herum, lief durchaus mit Erfolg die Trickfilmserie im Kika. Die nahm sich einige Freiheiten bei der umsetzung des Originalmaterials, und vielleicht scheiterten die Comics ja genau an dieser inhaltlichen Differenz zu den Fernsehfolgen.

Oder die Comics waren einfach zu düster. Zumindest zu Beginn ist der Stoff durchaus nihilistisch und ziemlich erwachsen: der Rüpel Billy stirbt bei einem Unfall und wird zur Strafe für sein schlechtes Benehmen zurück auf die Erde geschickt – als Katze.

Das Thema Tod ist selten in der Kinderliteratur, als Astrid Lindgren es in „Die Brüder Löwenherz“ ansprach, provozierte sie damit einen veritablen Skandal. Auch hier angesprochene Themen wie Wiedergeburt, Obdachlosigkeit, Armut und Kriminalität (denn Billy gerät in einen hexenkessel obdachloser und krimineller Tiere) entspricht nicht eben dem Klischee niedlicher und moralisch sauberer Kindercomics.

Wohl nicht zuletzt deshalb wurden die nihilistischen Anteile der Handlung im Lauf der Serie zurückgeschraubt. Spätestens ab dem fünften Album liegt ein moralisch reiner, die Fronten klar nach Gut und Böse teilender, auf das Happy-end zulaufender Kindercomic vor.

Da war es für die ersten deutschen Ausgabe schon zu spät. Niedlichkeit erhofft und Nihilismus bekommen, das stellt vermutlich nur eine Minderheit der Leser zufrieden, vor allem ältere, die es gewohnt sind, dass sich hinter dem Kaugummistil der ecole marcinelle, wie Franquin ihn geprägt hat und wie er auch hier Anwendung findet, oft genug abgründige und düstere Themen verbergen.

Somit ist die aktuelle Gesamtausgabe tatsächlich die erste Gelegenheit für den deutschen Leser, die Serie vollständig zu erfahren. Der Verlag hat sich druchaus mehr Mühe gegeben als üblich: selbst die diversen Zusatzseiten mit Entwürfen, frühen oder unvollendeten Geschichten oder alternativen Sequenzen sind größtenteils übersetzt, was leider immer noch nicht die Regel ist bei solchen Editionen.

Neues Material kommt relativ spät, erst die letzte Episode im zweiten Band ist eine deutsche Erstveröffentlichung, und es bleibt abzuwarten, wie die Serie sich entwickelt (hat) – spätestens, wenn Jean-Louis Janssens als Autor übernimmt, dessen „Zarla“ ein sarkastischer, viel zu wenig beachteter Abenteuer-Funny ist.

Wenn, und dise Frage steht natürlich immer im Raum, wenn „Billy the Cat“ in diesem, dem dritten Anlauf, tatsächlich den Sprung zur vollständigen Veröffentlichung in Deutschland schafft.

Billy the Cat Gesamtausgabe: Egmont Comic Collection, 216 S.; € 29,95

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