Der Tierwelt Entenhausens widmet sich ein Sonderband der Disney-Comics. Wer nicht begreift, warum das problematisch ist, für den gibt es „Donald Duck für Duckies“ – eine Einleitung in den Entenkosmos.
Tiere sind, natürlich, ein heikles Thema, wenn es um Entenhausen geht. Denn vermutlich kein Ort der Welt trägt seinen Namen so zu recht. Kein Mannheim, kein Straßburg, kein Bitterfeld sind so männlich, mit Straß geschmückt oder bitter, wie Entenhausen von Enten dominiert wird. Mindestens von einer: Dagobert Duck, die reichste Ente der Welt. (Man beachte die feine Distinktion, auf die er selbst wert legt: nicht der reichste Mensch und nicht die reichste Person, sondern die reichste Ente!)
Entenhausen ist, wo Enten hausen, ja, wo sie sich manchmal sogar einen Hund als Haustier halten.
Dass sich Figuren wie Dagobert und Donald Duck selbst als Enten begreifen (nicht aber manche ihrer lieben Mitbürger als Schweine, Hunde und Gänse) wirft irritierende Probleme auf. Fraglos ist Entenhausen eine multikulturelle Gesellschaft, in der äußerst verschiedene Wesen sehr friedfertig zusammenleben können. Allerdings scheinen eben immer noch da, wo alle gleich sind, manche gleicher sind, um George Orwell zu zitieren. Jeder ist Bürger – nicht alle sind Ente.
Und manch einer ist einfach nur Tier. Die Fieselschweiflinge, allen voran Tick, Trick und Track, erforschen seit Jahren Feld, Wald und Flur. Zu ihren selbstgestellten Aufgaben gehört offenbar nicht nur die Beobachtung der Fauna, sondern manchmal auch deren Rettung und sogar deren Zähmung. Sie, die Enten, retten Geier und dressieren Hasen. Sie gehen in den Zirkus und erstehen ein Kamel.
Nur vor Bären nehmen sie Reißaus. Seit Carl Barks erster Dagobert-Geschichte (hier nicht enthalten) kann man Bären als sowas wie die Erzfeinde der Enten ansehen. Echte und falsche Bären tauchen regelmäßig in den Erzählungen auf.
Kein Wunder. Die echten Bären symbolisieren die reine, undomestizierte Natur. Ein Eindringen der Enten in ihren Lebensbereich, meist Höhlen, nehmen sie als Störfaktor wahr, die zivilisierten, endnaturisierten Enten müssen vertrieben werden, nicht erlegt. Die falschen Bären dagegen erweisen sich meist sehr zügig als Scharade, als unzureichende Nachahmung der Natur, von der sich die domestizierten Enten in ihren Villen und Reihenhäusern entfernt haben.
Thomas Hobbes würde hier wohl vom Naturzustand reden: das Noch-Tier trifft auf das Nicht-mehr-Tier – beide sind entsetzt und des anderen Feind.
Nicht jeder versteht diesen Spannungszustand – nicht einmal jeder Experte. In „Donald für Duckies“ begrüsst der Vorwortschreiber den Leser mit der Erkenntnis, dass einem auch in Entenhausen nicht „die gebratenen Enten in den Mund“ fliegen. Das ist natürlich sehr zu hoffen, denn während Gänsebraten und ähnliche Kulinarien in einer Welt, die zwischen zweierlei Tier unterscheidet, gerade noch erträglich erscheinen mag, ist doch die gebratene Ente in Entenhausen ein Ausdruck bittersten Zynismus.
Oder ist das Ausdruck einer spezifischen Form des Rassismus, der sich die Enten ausgesetzt sehen und der manche – wie Gustav Gans – sogar zwingt, ihr Ente-Sein zu verleugnen? Ist Dagobert Ducks innerer Zwang zum Erfolg auch Ausdruck der ewigen Fremdheit, sei sie nun real oder empfunden, in einer Stadt, in der Enten weiterhin Minderheit sind?
Die Kultur bestimmt eben doch das Bewusstsein – in diesem Fall sollte es dafür geschärft werden, dass Enten nicht gebraten gehören, dass Tiere und Nicht-mehr-Tiere unseren Respekt verdient haben, von Dummies ebenso wie von Duckies
Was quakt denn da? Enten in freier Wildbahn, Egmont, 192 S.; 20,00 EUR
Donald Duck für Duckies, Egmont, 320 S.; 16,99 EUR