Der Held CVR 1Ein Superheld in Mannheim ist da sicher ebenso am rechten Platz wie ein Cowboy in Neukölln. Beide Genres – Western und Superhelden – sind so exakt auf den amerikanischen kulturellen Kontext geeicht, auf Landnahme und den Traum vom immerwährenden Fortschritt, dass sie in einem deutschen oder sogar europäischen kulturellen Rahmen befremdlich wirken.

Wohl auch deshalb sind entsprechende Versuche – wie z.B. Dorn von IPP – im Sande verlaufen wenn nicht gar dramatisch gescheitert: erinnert sich noch jemand an Power Freaks? Dem Vernehmen nach blieben die Absatzzahlen gut im dreistelligen Bereich, und das zum Höhepunkt der deutschen Superhelden-Heftchen-Welle um die Jahrtausendwende herum.

Es ist also völlig okay, bei neuen Versuchen skeptisch zu sein. Dieser Tage flatterte mir – nach einem Anruf aus dem Verlag – Der Held ins Haus, eine, wie man mir am Telefon gesagt hatte, „neue Superhelden-Serie“. Gleich zwei Nummern auf einmal, jeweils zwanzig Seiten dick, Kostenpreis 2,50 EUR pro Heft. Gezeichnet von Alex Knuettel.

Knuettel war mir vor einigen Jahren schon aufgefallen aufgrund seiner Produktion der Wobbles – angeblich eine supererfolgreiche TV-Trickfilmserie der fünfziger Jahre über eine komplett verstrahlte und mutierte Landei-Familie. Zwar gibt es diese Serie nicht, dafür aber wohl eine Ausstellung (die ich nie gesehen habe) und eine wunderbare Homepage, die einen verspielten und überaus kreativen Einblick in das fiktive Wobbleversum gibt.

Auch sonst ist Knuettels Portfolio beeindruckend: „BASF, BULLYLAND, Dittmeyer Fruchtsäfte, Dresdner Bank, Elopark, Frankfurter Lions, John Deere, MAD, MVV Verkehrsbetriebe, Steigerwald Arzneimittel, York“ vermeldet seine Agentur. Der Mann hat zu tun.

Der Held CVR 2Und weil dem so ist, ist Der Held nicht der weitere Versuch eines Fans, einen deutschen Superhelden-Comic zu etablieren. Auch wenn am Ende von Heft 2 eine dritte Ausgabe angekündigt wird – die wird es vermutlich nie geben. Nicht, weil der Comic vielleicht zu erfolglos ist. Sondern weil beide Hefte, ein dazugehöriges Puppentheaterstück und eine Ausstellung Bestandteil eines weiteren Kunstprojektes sind, das Knuettel, wie schon die Wobbles, gemeinsam mit Maren Kaun gestaltet hat. Gefördert wurde das Projekt u.a. vom Kulturamt der Stadt Mannheim – dass hiesige Kulturämter Comics fördern, hat man auch nicht alle Tage.

Oberflächlich bewegt sich Der Held in den üblichen Superhelden-Parametern – bzw. den Klischees davon. Held-Held ist der mehr oder minder erfolgreiche Comiczeichner und -verkäufer Kurt Haase, der nach dem Einatmen einer übersüssten Puddingwolke und dem Kauf eines Raketenrucksacks zum Mannheimer Superhelden wird. Gegenspieler sind u.a. der verrückte Puddingprofessor von Schlott sowie ein gigantisches Puddingmonster. Die offensichtliche Parodie ist versiert gemacht – Knuettel zeichnet in einem Stil irgendwo zwischen den klassischen MAD-Comics (Superduperman von Wally Wood fällt hier sofort ein) und den Marvel-Comics der siebziger Jahre, insbesondere der Horror-Titel wie Man-Thing.

Der Held InnenseiteAber da liegt auch das Problem des Comics. Er ist technisch perfekt – Knuettels Zeichnungen sind dynamisch, elegant, nur die Schwarzflächen und das übermässige Lettering verwirren das Auge gelegentlich zu sehr. Aber das ist alles Teil des Spiels – so sahen Superhelden-Comics einmal aus (nur meist in bunt statt schwarz-weiss). Knuettel treibt das Spiel bis in die Metaebene: auch der von Haase gezeichnete Comic „Powermilkman“ ist offenkundig veraltet, offenkundig eine weitere Hommage bzw. Parodie an klassische Comics.

Nur verpufft so der gesamte satirische Effekt des Experimentes. Worum geht es in der Held? Superhelden-Comics? Puddingproduzenten? Mannheim? Wo etwa Woods Superduperman ein klares erzählerisches Ziel hatte, die Auseinandersetzung mit den ganz realen Klischees des Genres – Martin Freis Superbabe tat ein ähnliches, indem er auf dem Sexismus von Superheldencomics, nun ja, herumritt – spielt Knuettel nur mit Klischees und Formen von ehedem.

Der Held ist darum bei allem Spass, den die Lektüre des Comics macht, ein Spiel mit sich selbst, eine Geschichte um sich selbst, eine Erzählung über ein Klischee. Der Freude über das grafisch geglückte Projekt steht eine Enttäuschung über dessen inhaltliche Leere und frapante Inaktualität gegenüber. Hier wurde, insbesondere angesichts der medialen Allpräsenz von Superhelden rund um Batman, Iron Man, Heath „Joker“ Ledger, Hugh „Wolverine“ Jackman und vielen weiteren mehr, die täglich die Feuilletons und Klatschspalten füllen, eine Chance vertan.

Der Held wird ab Februar in Mannheim und Umgebung erhältlich sein. Hier wird eine Vernissage wohl für den 8. Februar angekündigt. Inwieweit es den Comic auch anderswo geben wird, weiss ich leider nicht.

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