Der Prequel-Comic zum Film ist ein Mini-Trend mit meist verzichtbaren Ergebnissen. Geschichten, die irgendwie auf die Ereignisse im Kinofilm hinarbeiteten, gab es in den letzten Jahren u.a. zum ersten Blade-Film, zu Superman Returns, zu den X-Men. Dramaturgisch stellen diese Comics ein Problem dar: sie dürfen dem Leser nicht mehr verraten als irgendein offizieller Trailer zum Film (also praktisch gar nichts), müssen aber gleichzeitig so eng mit dem Film verbunden sein, dass der potentiell vom Film begeisterte Zuschauer ein „Muss ich haben!“-Gefühl entwickelt.

Da ich Star Trek XI schon gesehen habe (mehr dazu demnächst), also mal ganz subjektiv die Frage: Muss ich Star Trek: Countdown (Cross Cult, 100 S.; € 14,80 im Softcover), die Vorgeschichte zum Film, haben? Antwort: Nee, nicht so sehr. Um uns nicht misszuverstehen – ich halte Star Trek XI für einen tollen Film. Mit einer großen Schwäche. Nero, der aus der Zukunft zeitgereiste Schurke der Geschichte, ist charakterlich kaum klar heraus gearbeitet. Abrams legt im Film den Fokus auf die Enterprise-Crew in spe (einer der Gründe, weshalb der Film so viel Spaß macht). Dass da ganze Planeten in die Luft fliegen, gerät beinahe zur Nebensache. Der Möchtegern-Rächer und -Planetenvernichter Nero ist zudem nichts weiter als eine farblose Kopie von Khan aus Star Trek II mit ein paar cooleren Tattoos und einer Zeitmaschine

Countdown wäre die Chance gewesen, das Bild von Nero zu vertiefen. Die Autoren dagegen wollten offenbar etwas ganz anderes. Die Geschichte, wie der Planet Romulus implodiert und wie der Erzschürfer Nero deshalb vom netten Weltraum-Kumpel zum Hyperpsycho wird, soll die Brücke schlagen zwischen den letzten, völlig vergeigten Star Trek-Filmen und dem jetzigen Neubeginn im Kino. Deshalb ist Countdown kaum mehr als eine etwas unschlüssige Next-Generation-Episode, deren Logiklöcher mit jeder Menge Gastauftritte der vermutlich beliebtesten Figuren des Star-Trek-Kanons gestopft werden. Auftritt Data, Picard, LaForge, Worf … Das Problem: Nero selbst gerät dabei schon wieder fast zur Nebenfigur, erhält wieder keine charakterliche Tiefe und scheitert selbstverständlich auch im Comic. Es ist schon eine Crux. (Hier geht es zu einer Leseprobe und mehr.)

Apropos Zeitreisen: Zu den Ursprüngen des Z heisst der 48. Band der Spirou & Fantasio-Reihe und ist ebenfalls die Geschichte einer solchen. Weil das Album in der französischen Zählung bereits das fünfzigste Album der Helden ist (nicht gezählt sind hier die diversen Spin-Offs sowie die nicht in Albenform nachgedruckten Abenteuer, so dass die reale Zahl der Geschichten fast doppelt so hoch liegt), sollte es wohl möglichst viele Reminiszenzen an früher Erlebtes enthalten. Weil es zugleich das letzte Album des ausgesprochen glücklos an der Serie agierenden Erzählerteams Morvan & Munuera ist, müssen außerdem ein paar offene Fragen der vorherigen drei Bände beantwortet und ein paar Handlungsstränge verknüpft werden. Also drei nahezu unmöglich gleichzeitig zu erledigende Aufgaben. An der die Künstler (mit Skripthilfe von Yann) dann auch scheitern.

Im Kern geht es darum, die unheilbar an einer Strahlenkrankheit siechende Miss Flanners zu retten, ehedem große Liebe sowohl des Serienurgesteins von Rummelsdorf als auch des ehemaligen Erzschurken Zyklotrop. Spirou soll den Unfall verhindern, bei dem sie sich vor vielen Jahrzehnten (!) die tödliche Dosis geholt hat. Um das zu erreichen, wird er mittels einer selten bekloppten Zeitmaschine in die Vergangenheit geschicht – das Gerätchen bringt den Benutzer zu dem Zeitpunkt zurück, an dem er sich einen bestimmten Gegenstand angeignet hat, auf den er die Maschine fokussiert. Ergo hüpft Spirou von Erinnerungsstück zu Erinnerungsstück, um irgendwann in der Zielzeit anzukommen, immer auf der Flucht vor sich selbst, denn natürlich darf er dabei nicht seinem früheren Ich vor die Nase laufen.

Schon der kaum in Worte zu fassende Plot macht die Probleme des Albums klar. Die ganze Zeitsprung-Geschichte ist verwickelt und schwerfällig, offensichtlich nur ein Vehikel für Reminiszenzen an die alten Alben (wobei Franquin mehr Ehrung erfährt als alle anderen Spirou-Zeichner zusammen) und darüber hinaus ausgesprochen lustlos getextet. Immerhin konsequent: am Ende wird die gesamte Vorgeschichte des Serienhelden ausradiert. Kann man ein Jubiläum herzloser begehen? (Carlsen Comics, 64 S.; € 9,00) (Hier geht es zu einem Werbetrailer – einfache Leseproben sind offenbar out? Über einen guten Spirou hatte ich mich zuletzt hier ausgelassen.)

Die Gilde ist eine Fantasy-Serie bei der Ehapa Comic Collection, deren Titel mir aus dem zweiten Band (Lucius, 48 S.; € 9,00) gar nicht ersichtlich wird. Im Kern der antropomorphen Tierserie geht es um den Alchimisten Astraban, der gezwungen ist, in einer Art Mittelalter-Welt für seinen Meister Doping-Mittelchen zu erfinden, um die Ergebnisse von Sportturnieren zu beeinflussen. Eine Gilde gleich welcher Art taucht in der ganzen Geschichte nicht auf.

Stattdessen ist es ein elendes Gehetze des ausgesprochen glücklosen Astraban von einem mißliebigem Auftraggeber zum nächsten, mit kurzem Zwischenstopp in einem fremden Bett. Das könnte spaßig sein (zumal hier grafisch die besseren modernen europäischen Disney-Comics Vorbild sind, angereichert mit etwas Sex und Gewalt). Allerdings ist dieser Astraban so ein unvergleichlich dummer Hund von der jämmerlichen Gestalt, dass sein Leiden zwischen Armut und Zwang dem Leser in keinem Moment nahe geht. 48 Seiten lang ergibt er pausenlos sich in sein Schicksal – da hat er es dann auch nicht besser verdient.

Zur Lage der Nation – Die letzte Rede des George W. Busch ist möglicherweise das letzte Lebenszeichen des viel zu sehr in Frieden ruhenden Verlages Thomas Tilsner alias Speed Comics, der vor allem diverse Vertigo-Klassiker wie Preacher, Transmetropolitan sowie Teile von Neil Gaimans Sandman-Reihe erstmals nach Deutschland brachte. Kein US-Comic: hinter der bereits im vergangenen Jahr erschienenen Bush-Satire steckt der bayrische Comiczeichner Mosbichler.

Aber ein Amerikaner würde sich das vermutlich nicht trauen: Bush als Busch, Bill Clinton als Kondom Billy Boy, Condoleeza Rice als schwarzes Reiskorn. Einfach weil es nicht lustig ist. So wie die Geschichte. Der grafisch ganz offensichtlich von Walter Moers beeinflusste Mosbichler spinnt auf 48 Seiten ein nur leidlich unterhaltsames Garn über die wahren Hintergründe der Ölkriege, über eine gewaltige Pipeline unter dem Weissen Haus und Guantanamo-Buddelsklaven, über Osamas T-Shirt-Factory und den Geist von Kennedy. Nicht nur, weil der Band vermutlich nur veröffentlicht wurde, um in den letzten Tages des Bush-Regnums schnell noch etwas Geld zu verdienen, muss man da kaum weiter drüber reden.

Ebenso wenig wie über Santaman – Patron der Gerechten. Ja, ich werde jetzt komplett historisch – das Album erschien bereits Ende 2006 bei der Ehapa Comic Collection (48 S.; € 9,00). Allerdings ist es bis heute die einzige professionelle Comicveröffentlichung des Zeichners Daniel Djanie alias Gilmec geblieben (und auch der einzige Comic um die Titelfigur). Santaman ist ein Superheld, der nicht nur an Weihnachten kommt, um die Bösen zu bestrafen. In dem Fall den Schurken Lord Beaver und seine Illuminager, die aus einem bekloppten Grund – nämlich Rache, womit wir wieder bei Nero wären – die Stadt Philantropolis vernichten wollen. Die ganze Geschichte ist um ein paar leidlich nette Kalauer wie die von den Illuminagern gestrickt, im großen und ganzen aber viel zu dünn, um 48 Seiten unterhaltsam zu füllen.

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