Manches Fantasywerk ist besser als der Ruf seines Genres,  manches schlechter. Und manches entspricht so punktgenau alles Klischees, dass es sich eigentlich jeder Wertung entzieht, weil es wie ein Chamäleon vor seinem eigenen Hintergrund unsichtbar wird.

Herr der Finsternis ist so eines.  Die im Original aus vier Alben bestehende Miniserie ist als Kopie der Herrn der Ringe-Filme so punktgenau, dass man sie nicht einmal dreist nennen kann. Weil sie mit all ihren kämpfenden Zwergen und Orks, mit der finsteren Heeresmacht, die sich erhebt und die Lande überrollt, und mit der finalen Schlacht ganz exakt der Erwartungshaltung entsprechen dürfte, die Betrachter von Peter Jacksons Verfilmung vom Genre haben dürfte. Von der ersten Sequenz, der Rückblende über die Entstehung des eroberungswütigen Herrn der Finsternis bis hin zum flammenreichenden Finale ist die Alben-Miniserie vollkommen maßgeschneidert auf eine Zielgruppe, die weißhaarige Zauberer und langhaarige Kämpenhoch zu Roß benötigt, um ein Werk als Fantasy zu erkennen.

Aber es ist gar nicht so sehr die Tatsache der Kopie, die hier stört. Der unter dem etwas eigenen Künstlernamen Dim D. agierende Zeichner entwirft hier im 3D-Stil aktueller Computergames ein paar durchaus opulente Bilder und geht weniger frankobelgisch als viel mehr amerikanisch vor: viele Splashpages, auf denen sich seine Szenerien enrfalten können. (Nebenher klaut er ein paar Charakterdesigns bei Jackson.) Kann man gucken. Das Skript dagegen entfaltet sich gar nicht: die Suche des Magiers Bran von Rabenfeld nach einem magischen Buch, mit dem man irgendwie den schurkischen Herrn der Finsternis besiegen könnte, beginnt als roter Faden der Handlung, erstickt dann aber in einem Wust von Conter- und Nebenplots, Sterben und Auferstehen und geht am Ende völlig unter, wenn die Geschichte völlig übereilt und hanebüchen auf 48 Seiten zu Ende gehetzt wird. Völlige Antiklimax: wenn der erobernde Übeltäter erklärt, wie er nicht anders habe handeln können, schließlich wollen seine Heerscharen ordentlich zu tun haben und er sei drum in der sozialen Pflicht gewesen. Wo bleibt die Gewerkschaft für Superschurken? (Ehapa Comic Collection, alle 4 Alben in einem Band, 200 S.; € 39,95)

Angenehm schurkenfrei bleibt da der erste Band der Reihe Die Legende vom Changeling, etwas irreführend als Die Missgeburt betitelt. Diese Mißgeburt ist der junge Peter alias Scrubby, der als Kind verloren ging und schnell wieder auftauchte. Bis auf seine hellgrünen Augen freilich haftet ihm Mißliches an. Und weil er so ein normales Kind ist, tut er nichts lieber, als durch die nordenglischen Wälder seiner Heimatgemeinde zu streifen. Wir schreiben die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts, und eigentlich ist alles gut.

Tatsächlich ist damit die Handlung zumindes der ersten Hälfte des Buches vollständig zusammen gefasst. Auch in der zweiten Hälfte, wenn Peters Familie von der Hungersnot getrieben nach London zieht, passiert nicht viel mehr. Auf angenehme Weise löst sich Die Legende vom Changeling von den Stereotypen aktueller Fantasy-Comics. Die Handlung ist hauchdünn und der Action-Gehalt gleich null. Dafür legen Autor Perre Dubois und Zeichner Xavier Fourquemin, letzterer in einem luftig leicht an Loisel und ähnlichen orientiertem Stil, ihr ganzes Augenmerk auf die sozialen Umstände von Peters Herkunft und Leben und auf die Gestaltung einer von allerlei keltischem Sagenvolk bewohnten Gegend. Im Kontext aktueller Mainstream-Fantasycomics stellt dieses ruhige Album einen angenehmen Kontrapunkt dar; innerhalb der noch schmalen backlist des jungen Piredda-Verlages ist es die bis dato schönste Veröffentlichung. (Piredda Verlag, 56 S.; € 13,50)

Noch nie Mainstream war die Donjon-Reihe. Die ging bei Carlsen ein wenig unter, vielleicht auch, weil das Publikum von anerkannten Chronisten des Alltags wie Lewis Trondheim und Joan Sfar keine Sword-and-Sorcery-Fantasy lesen wollte. Bei Reprodukt hat das skurille, auf potentiell mehrere hundert Bände angelegte Projekt über die Geschichte eines Dämonenkerkers inzwischen eine offenbar stabile Heimat erhalten – neben der Hauptserie erscheinen auch die diversen Nebenserien, die dem ganzen Projekt erst das wunderbare Gefühl reinsten Aberwitzes verleihen.

Weil der Ausstoß so hoch ist, sind die Alben freilich immer ein wenig Hit and Miss. Das betraf zuletzt vor allem die Ablegerreihe der Donjon Monster. Um so erfreulicher, dass die zwei (nicht mehr ganz) jüngsten Veröffentlichungen darin ganz exorbitable Unterhaltungscomics sind. Der Sohn der Drachenfrau schildert ein Komplott von Zauberern, um die Macht über die Stadt Antipolis zu übernehmen. Der vollkommen zu Recht überall hochgelobte Zeichner Blutch setzt das blutige Garn, in dem es von abgerissenen und aufgespießten Körperteilen kein Ende hat, in verblüffend ruhiger, kupferstichartiger Manier um, die der Geschichte eine Atmosphäre ganz eigener Bedrohung und, ja, sogar ein gewisses Sexappeal geben.

Deutlich konventioneller fällt da das von Stéphane Blanquet erzählte Album aus den finalen Tagen des Donjon, Der Schwarze Fürst, aus.  Blanquets an Jim Woodring, Maurice Sendak und ähnlichen orientierter organisch-kaugummiartiger Strich betont anders als Blutch die komischen Seiten der ebenfalls überaus blutigen Geschichte. Damit betritt er aber  nur zu bekanntes Terrain – die gesamte Donjon-Saga ist letztlich auf den Kontrast zwischen ins absurde überhöhter Gewalt und poetischer Komik angelegt. Lesbar bleibt es dennoch, zumal der Plot nicht ganz so wirr ist wie manch eine vorherige Donjon Monster-Episode. (beide Alben: je 48 S.; € 12,00 )

Comments are closed.