Möglicherweise war der Aufruhr ja vorhersehbar. Immerhin haben wir Sommerloch, und wie sehr sämtliche Artikel über das Dritte Reich bzw. nahe dran liegende Themen sowieso einem Stochern im Wespennest gleichen, habe ich zuletzt bei meinem Artikel über den Zack!-Comic Der Stern von Afrika bemerkt, der umfangreiche Debatten in der deutschen Comicszene und ein paar eher unappetitliche Kommentare in diesem Blog (und wer weiß noch wo) generierte. Einiges davon war offen beleidigend und aggressiv.

Möglicherweise hätte ich daraus lernen sollen, dass man über das Dritte Reich und angrenzende Themen im Comic besser seine Klappe hält. Die Leute nehmen sonst krumm.

Ich gebe jedoch zu, mit eigentlich keinerlei Reaktion gerechnet zu haben, als ich meinen Artikel über die jüngst gestartete Gesamtausgabe der klassischen Mecki-Bildgeschichten für die Frankfurter Rundschau verfaßte. Das liegt daran, dass Comicberichterstattung trotz allem nur selten nachhallende Aufmerksamkeit nach sich zieht. Aber auch daran, dass der Artikel in seiner grundsätzlichen Intention meiner Meinung nach recht sachlich aufgebaut worden war.

Zentrale Beurteilung der im ersten Mecki-Band des Esslinger-Verlages abgedruckten Geschichten ist für mich folgender Absatz:

Rückblickend ist es wohl vor allem die personifizierte Fünfziger-Jahre-Haftigkeit, die den Biedermann mit der Bundhose so beliebt machte. Der runde Mecki ist beleibtes Sinnbild des Wirtschaftswunderzeitgeistes. Am liebsten sitzt er abends mit Pantoffeln zu Hause, wo ihm seine Frau ein deftiges Essen bereitet. Bei seinen Abenteuern auf der ganzen Welt (im vorliegenden Band reist er unter anderem auf dem Stillen Ozean und nach Indien), wahrt er stets Distanz angesichts von Piraten, Prinzen und reichen Amerikanern. Höchstes Ziel ist ihm die Gemütlichkeit: Als Südseezauberer Saladim endlich besiegt ist, sorgt Mecki auf dem fernen Atoll als erstes für die Errichtung einer Hütte mit Gardinen in den Fenstern und Zaun drum herum.

Drum herum schrieb ich über einige der eher unappetitlichen Details in den Geschichten, wie etwa die Arbeit der Mecki-Künstler im Dritten Reich. Also etwa:

Im Verlauf des Abenteuers mit dem Allzweckauto wird Schofel dem braven, aber arglosen deutschen Ingenieur dessen Pläne abluchsen und sich hernach mit der Gaunervisage Schnapphahn und einem osteuropäischen Kriminellen namens Ratte zusammentun, dessen Hakennase direkt dem Hetzblatt Stürmer entnommen sein könnte.

Es war aber wohl vor allem dieser Absatz, obwohl eher Randbemerkung, der Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma, aufmerksam machte:

Als der Igel und seine Frau den Schurken Schofel verfolgen, gelangen sie in einen vor allem von Zigeunern bevölkerten Landstrich, „Lausedonien“ genannt. „Hast du das Huhn gestohlen?“, fragt Mecki einen zerlumpten Jungen. Das ist zwar nicht der Fall. Aber Ordnung muss schließlich sein.

Gemeinsam mit der Überschrift Zigeuner aus „Lausedonien“ (die nicht von mir stammt) erweckten sie ein Bild von Sinti und Roma, das tatsächlich abzulehnen ist. (Meine Originalüberschrift für diesen Artikel lautete Nach „Lausedonien“ und anderswo.)

In seiner Funktion als Vorsitzender des Zentralrates schrieb Romani Rose darum einen Brief an den Esslinger Verlag. Das Schreiben liegt mir als Kopie vor. Die Kernaussage ist vermutlich folgender Satz:

Es ist nicht nachvollziehbar, daß die Werke der von den Nazis hochdekorierten Autoren heute noch unkommentiert nachgedruckt und als bunte Kinderbücher in Umlauf gebracht werden. Wie sollen wir von den Schulen verlangen, zur Humanität und zum Antirassismus zu erziehen, wenn wir zugleich erlaubten, dass in Büchern herabsetzende und entwürdigende Vorurteile über Sinti und Roma und Juden verbreitet werden.

Deshalb, so Rose, fordere der Zentralrat, „den Nachdruck der Mecki-Geschichten unverzüglich vom Markt zu nehmen“.

Und hier geht die Zwickmühle los. In der Tat kann man monieren, dass die Mecki-Geschichten ein veraltetes Weltbild transportieren, das in vieler Hinsicht kommentierungsbedürftig ist. In der Tat mangelt es den Geschichten an ironischer Distanz, die dieses Weltbild abmildern könnte. Derlei wurde in den ungefähr zeitgleich erscheinenden Nick Knatterton-Comics praktiziert. In der Tat sind die Mecki-Comics keine derart überragenden Meisterwerke des Mediums, dass heute fragwürdige Inhalte eventuell wenigstens zum Teil durch die Qualität der Darstellung abgefedert werden könnten. Sie sind, was sie sind: ein auf unfreiwillige Art durchaus treffendes Sittenbild der spiessigen Seite der BRD jener Jahre, die das Dritte Reich noch lange nicht verarbeitet hatte.

Andererseits ist der Esslinger Verlag kein Fachbuch- oder Wissenschaftsverlag. Esslinger ist ein Kinderbuchverlag und gehört zur Ernst Klett AG, zu der u.a. der bekannte Schulbuch- und Wörterbuchverlag gleichen Namens gehören. Ziel der Mecki-Ausgabe war wohl – ebenso wie bei der jüngst mit dem Vernehmen nach überaus großem Erfolg gestarteten Lurchi-Buchausgabe – ein Produkt für die breiten Leserschichten zu konzipieren und weniger für Spezialisten und Forscher. Aus diesem Grund wurden zwei Seiten aus dem Buch gestrichen. Eine – wie ich inzwischen weiss – weil sie lediglich eine Art übergroßer Werbeanzeige für ein Mecki-Bilderbuch darstellte. Eine andere aber wohl wirklich aus politischen Gründen: Mecki strandet auf einer Insel und begegnet dort den damals üblichen klischeehaften, dicklippigen und überaus dummen schwarzen Inselbewohnern.

Während man diese Seite noch mühelos aus dem Band entfernen konnte, ohne den Fortgang der Geschichte zu zerreissen, war das wohl bei der Schofel- bzw. Lausedonien-Episode nicht möglich. Hier hätte ein ganz oder gar nicht zur Debatte gestanden. Oder, dritter Ansatz: eine Kommentierung jener Seiten, ein mehr oder weniger kurzer Abriss des historischen Kontextes als erklärendes Nachwort.

Es ist jener Ansatz, den der Esslinger-Verlag nachträglich gewählt hat. Die Auslieferung der Bücher ist vorerst gestoppt. Es wird in naher Zukunft erklärende Beileger zu den Bänden geben mit eben jenem historisch-kritischem Gehalt. Ob dies den Zentralrat der Sinti und Roma zufrieden stellen wird, bleibt abzuwarten.

Neben diesen, nun sagen wir einmal, politischen Folgen, hatte die Geschichte auch einmal mehr private Folgen. Andreas Platthaus schildert das heute in seinem FAZ-Blog recht zutreffend.

Es ist eine typische Überschußreaktion, das, was man liebt, heftiger zu verteidigen als unbedingt nötig. Aber muß man dazu perfide werden? Neben Lothar Schneider kenne ich auch Stefan Pannor. Als ich mich aus anderem Grund am vergangenen Sonntag mit ihm traf, erkundigte er sich, welche Meinung ich denn zu der Auseinandersetzung hätte. Man habe ihm zugetragen, daß ich von Comic-guide um einen Beitrag gebeten worden bin, weil eine ganze Front gegen ihn aufgebaut werden sollte. Wer Stefan das gesagt hat, wollte ich gar nicht wissen. Allein die Tatsache, daß von wem auch immer die Meinung vertreten wird, daß eine Welle des Abscheus gegen einen Kritikerkollegen inszeniert werden solle, ist beschämend für die ganze deutsche Comicszene. Ich weiß nicht, ob Lothar diese Absicht hatte, als er mich aufforderte, auch das Wort zu ergreifen. Aber Stefan wiederum hat nach dem Start der Diskussion in Comic-guide mehrere Drohanrufe erhalten. Wo leben und was lesen wir eigentlich, wenn angebliche Verteidiger der kindlichen Unschuld, die „Mecki“ ausmachen soll, die feigsten Methoden ergreifen, die man sich vorstellen kann?

Zu dem Geschilderten kamen diverse E-Mails, einige auf verständnisvolle Weise kritisch (was ich zu schätzen weiss), einige schlicht penetrant, indem sie jede Erwiderung auf Kritik ignorierten und stets das Gleiche wiederholten.

Die deutsche Comicszene ist klein. In der Tat tritt man schnell einmal jemand auf den Schlips. Und jeder kennt jeden. Die Verlockung ist groß, um eines lieben Friedens willen jede Kritik für sich zu behalten. Ich kenne einige Kollegen, die das tun und innerhalb der Szene recht gut damit fahren. Es steckt eine Meckihaftigkeit in jenen Szenevertretern, die derlei zu schätzen wissen: „Höchstes Ziel ist ihm die Gemütlichkeit“.

Das kann jedoch keine Basis sein für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Comics, die dem Medium einen gesellschaftlichen Respekt verschafft, der ihm derzeit über weite Strecken noch fehlt. Mehr noch: eine Grundlage für ernsthafte journalistische Arbeit kann es erst recht nicht sein.

In seinem inzwischen nahezu zum Klischee kaputtzitierten Aufsatz Was darf Satire? tut Tucholsky den sehr schönen Satz „Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann.“ Der Esslinger-Verlag hat seinen Puff ordentlich weggesteckt und in der ganzen Zeit überaus professionell gehandelt. Von den Vertretern der deutschen Comicszene kann man das leider nicht so recht behaupten.

Nachtrag, 13.08.09: Ein kleiner Sachfehler findet sich im Artikel von Andreas Platthaus: „Diese Volksgruppen reagieren empfindlich, wenn die traditionell meist herabsetzende Bezeichnung „Zigeuner“ verwendet wird. Aber das Wort fällt bei „Mecki“ gar nicht; es wird hier nur von Pannor gebraucht“, schreibt er. Da dieser Fehler inzwischen auch von mindestens einer anderen Newssite aufgegriffen wurde, verweise ich auf die Seiten 52 ff. im 1958er-Band der Esslinger-Ausgabe. Dort ist klar und mehrmals von „Zigeunern“ die Rede.

Nachtrag II: Splashcomics hat den Satz inzwischen gestrichen.

12 Responses to “Herren und andere Igel. – „Mecki“ und die Folgen”

  1. Jürgen Decker says:

    Stefan, anscheinend hast du viel erlebt und nichts dazuglernt. Manchmal wäre es besser Kritik auf sich einwirken zu lassen als den Beleidigten zu spielen.

  2. ICOM says:

    Stefan, es gibt keine Vertreter der deutschen Comicszene (auch der ICOM würde das nie beanspruchen) und schon gar nicht sind es die Sammlerfreunde aus dem comicguide.net.
    Im übrigen verliefen die Diskussionen über deine Artikel nicht ganz so einseitig, wie du und Andreas das schildern.

  3. Serano says:

    Hallo Stefan, ich bin Dir für den Artikel in der Frankfurter Rundschau sehr dankbar.

    Ich habe versucht mit den Mitgliedern von Comicguide.net, über dieses Thema ins Gespräch zu kommen. Die Adminstratoren haben darauf hingewiesen, dass politische Themen nicht erwünscht sind.

    Antwort des Mitgliedes zaktuell: „Ich denke auch -nach wie vor- dass die Foren-Regeln/FAQ mal diesbezüglich geändert werden sollten. Es hilft keinem, das Thema unter den Teppich zu kehren und Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen, bedeutet eben auch und grade, sich ihr zu stellen und sie aufzuarbeiten. ‚Verdrängung‘ statt ‚Bewältigung‘ ist psychologisch in der ‚Täter-Generation‘ erklärlich, diese aber stirbt aus. In der Generation mit der ‚Gnade der späten Geburt‘ sollte aber ein offener Umgang mit dem Thema möglich sein und ist mMn auch Verpflichtung der nachfolgenden Generation. Soviel zum Grundsätzlichen“.

    Es gab von vielen Mitgliedern des Forums Zustimmungen, unter anderem auch vom Verlag Esslinger.

    Die Foreninhaber lehnten jede Diskussion hierüber energisch ab.

    Ich bin sehr überrascht, dass es plötzlich doch ein Thema für Comicguide.net geworden ist. So sehr anscheinend, dass Sie sich an einen Journalisten wenden und ihn bitten hierzu eine Gegendarstellung zu veröffentlichen.

    Der Esslinger Verlag hat auf die Kritik umgehend reagiert. Dieses verantwortungsbewusste Verhalten ist lobenswert. Hier geht es nicht um die Interessen von intoleranten Sammlern, sondern um die Erziehungspflicht von Kindern, die nicht mit stigmatisierenden Stereotypen konfrontiert werden sollen.

  4. Serano says:

    Ich möchte gerne ein Buch empfehlen von einem Heidelberger Kinderbuchautor Michail Krausnick, dass untermalt wird von Comiczeichungen des Künstlers Lukas Ruegenberg (übrigens Meisterschüler des Expressionisten Karl Schmidt Rottluff):

    http://www.elses-geschichte.de/

  5. Jürgen says:

    Zur Herkunftsgeschichte und dem Gebrauch des Wortes Zigeuners empfehle ich die folgende Seite. Oftmals ist Differenzierung nötig wo Krawall veranstaltet wird.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Zigeuner

  6. Meckifreund says:

    Es folgt ein Leserbrief an die Frankfurter Rundschau:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    selten ist wohl eine Kritik zu einem neue gestarteten Comic so unsachlich ausgefallen wie die von Stefan Pannor über die gerade im Esslinger Verlag gestartete Meckibuchreihe.

    Jahrzehntelang haben Comic- und Meckifans auf die Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen gewartet oder nachgewachsene Leser sich einmal gewünscht selber die sagenhaften Meckicomics betrachten zu dürfen. Eine sehr komplizierte Rechtslage mit sehr vielen Erben der ehemals Beteiligten verhinderte bisher diese Edition.

    Umso erstauner war ich über die Rezension ihres Autors Stefan Pannor. Stefan Pannor eifert dem Gonzojournalismus nach indem er die Kritik sehr oberflächig und polemisch anlegt. Von den drei im Buch enthaltenen Geschichten bespricht er gerade einmal eine, erweckt aber beim Leser den Eindruck, dass dies die einzige Geschichte in dem Band ist. Der ältere Leser merkt Herrn Pannor an, dass dieser erst 1975 geboren wurde und zudem mit einigen Begrifflichkeiten aus älterer Zeit nicht recht vertraut ist. Er bespricht Mecki, als ob dies eine x-beliebige Neuveröffentlichung wäre und nicht ein Comic der vor dem Hintergrund der 50iger Jahre entstanden ist. Mecki ist somit ein Zeitdokument, entstanden in seiner Zeit, durch seine Zeit und für seine Zeit. 1958 war es durchaus üblich – heute ebenbfalls – manche Menschen als Schofel zu bezeichnen. Pannor schreibt zu idesen Namen, den eine Figur der besagten Meckigeschichte trägt: \“Schofel heißt der, was im Jüdischen so viel wie schäbig, geizig, kleinlich bedeutet, und er hat dunkle Haut.\“ Das ist soweit richtig, auf der anderen Seite verschweigt Pannor jedoch das dieser Begriff auf Umwegen über das Rotwelsche Eingang in die deutsche Umgangssprache nahm.

    Ob Mosaik tatsächlich ein wesentlich moderner Comic wie Mecki war ist sicherlich ein Vergleich wert – nur belegt Herr Pannor dies überhaupt nicht. Aber oftmals können Jugenderinnerungen auch täuschen.

    Weiterhin behauptet Herr Pannor das zwei Seiten selbst dem Verlag zu heiß gewesen wären um sie abzudrucken. Dies ist nicht der Fall. Die eine Seite betrifft eine Ankündigung für das Bilderbuch „Mecki bei Prinz Aladin. Diese Seite stört vom Grundsatz her den Lesefluss und es ist mehr als verständlich das Esslinger diese Seite nicht abdruckt. Gleiches praktizierte Dupuis übrigens bei der Veröffentlichung des Spirouabenteuers „Die Hütte im Urwald“.
    Von Jemanden wie Herrn Pannor, der in der Comicbranche tätig ist erwarte ich mir natürlich mehr Einsatz über ein Thema als von jemanden der gerade einmal einen Auftrag abliefern muss. Wir leben im Zeitalter des Internets, der gescannten Seiten und es wäre sicherlich leicht möglich gewesen diese Seiten von Esslinger zu Begutachtung zu bekommen.
    Ich bedauere dass die Frankfurter Rundschauf nicht die Gelegenheit genutzt hat ihrn Mecki neutral sondern einseitig verzerrt darzustellen. In seinem Artikel unterstellt Ihr Autor das der Zeichner Reinold Escher in seinen Comics menschenverachtende Darstellungen den Lesern untergejubelt. Weiterhin erweckt er den Eindruck das Reinhold Escher für die Wehrmacht Bildergeschichten gezeichnet hat und dem Nationalsozialismus nahestand. Dies entspricht in keinster Weise der Realität. Reinold Escher war Zeit seines Lebens ein aufgeklärter Demokrat und stand wenn überhaupt der Sozialdemokratie nahe.
    Ich bin 1961 geboren und bin noch mit Darstellungen über Zigeuner groß geworden die sich in nichts vom dem unterscheiden was Herr Escher darstellt. Ich muss hierzu betonen, daß ich aus einem christlichen Elternhaus stamme und hinsichtlich Humanität und Nächsteliebe erzogen worden bin. Gleiches habe ich in der Schule erlebt.

    Reinhold Escher schrieb in seiner Zeit durch seine Zeit für seine Zeit. Und zumindest hier im Westen entsprach dieses Bild der Wahrnehmung der Menschen in den 50iger, 60iger und 70iger Jahren. Es wäre ihnen zu wünschen, wenn Sie zukünftig versuchen würden den Zeithintergrund mit in Ihre Überlegungen ein zu beziehen. Ansonsten können renommierte Verlage gleich Massen von Büchern aus vergangenen Jahrhunderten verbrennen. Aber ich denke in Deutschland sollten keine Bücher mehr verbrannt werden, sondern sich ernsthaft mit dem Phänomen Comic beschäftigt werden. Reinhold Escher ist in seiner Darstellung des Zigeuners gar nicht einmal soweit von der Darstellung des Zigeuners in Andre Franquins Comic “Der Zauberer von Rummelsdorf“ entfernt. Vielleicht ist Ihnen dies nicht bewusst, vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, vielleicht kennen Sie auch den Comic nicht.

    Bei der Meckireihe handelt es sich um den Reprint eines zeitgenössischen Comics. Ein Comic mit einem hohen kulturellen Wert mit dessen Hilfe wir vieles lernen und erfahren können über die Verhältnisse und das Leben in den 50iger und 60iger Jahren.
    Esslinger hat sich mit der Veröffentlichung von Mecki sehr viel Mühe gegeben. Es ist heute durchaus nicht üblich eine Comicserie mit einem so ausführlichen Vorwort zu versehen wie wir dies im Jahrgangsband 1958 vorfinden. Dies nimmt Herr Pannor aber ebenfalls nicht zur Kenntnis, denn ansonsten hätte er folgenden Text lesen müssen: „Diese Meckausgabe enthält (bis auf 2 Folgen) alle Meckiabenteuer aus dem Jahr 1958. In diesem Jahr erschienen die Bildergeschichten erstmals durchgängig in Farbe. Die beiden Geschichten „Ein Fremder an Bord“, Nr. 29 sowie „Mecki bei Prinz Aladin“, Nr. 46 wurden aus Gründen der „political correnes bzw. aus reproduktionstechnischen Gründen nicht in den Sammelband mit aufgenommen.“ Hier hätte sich Herr Pannor selber ein Bild machen müssen. Einmal davon abgesehen, welcher Comic Verlag außer Esslinger informiert seine Leser in einem solchen Zusammenhang wie Esslinger.
    Im nächsten Jahr wird es gleich 3 Ausstellungen über das Phänomen Mecki, u.a. vom Wilhelm Busch Museum in Buxtehude geben. Es ist an der Zeit das die mit und nach Mecki aufgewachsenen Lesern endlich ein Juwel der deutschen Comicliteratur endlich kennenlernen dürfen. Und vielleicht schreibt die Frankfurter Rundschau endlich einen sachlichen Artikel über Mecki.

  7. Meckifreund says:

    Leserbrief an die Frankfurter Rundschau – 1. Teil

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    selten ist wohl eine Kritik zu einem neue gestarteten Comic so unsachlich ausgefallen wie die von Stefan Pannor über die gerade im Esslinger Verlag gestartete Meckibuchreihe.

    Jahrzehntelang haben Comic- und Meckifans auf die Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen gewartet oder nachgewachsene Leser sich einmal gewünscht selber die sagenhaften Meckicomics betrachten zu dürfen. Eine sehr komplizierte Rechtslage mit sehr vielen Erben der ehemals Beteiligten verhinderte bisher diese Edition.

    Umso erstauner war ich über die Rezension ihres Autors Stefan Pannor. Stefan Pannor eifert dem Gonzojournalismus nach indem er die Kritik sehr oberflächig und polemisch anlegt. Von den drei im Buch enthaltenen Geschichten bespricht er gerade einmal eine, erweckt aber beim Leser den Eindruck, dass dies die einzige Geschichte in dem Band ist. Der ältere Leser merkt Herrn Pannor an, dass dieser erst 1975 geboren wurde und zudem mit einigen Begrifflichkeiten aus älterer Zeit nicht recht vertraut ist. Er bespricht Mecki, als ob dies eine x-beliebige Neuveröffentlichung wäre und nicht ein Comic der vor dem Hintergrund der 50iger Jahre entstanden ist. Mecki ist somit ein Zeitdokument, entstanden in seiner Zeit, durch seine Zeit und für seine Zeit. 1958 war es durchaus üblich – heute ebenbfalls – manche Menschen als Schofel zu bezeichnen. Pannor schreibt zu idesen Namen, den eine Figur der besagten Meckigeschichte trägt: \“Schofel heißt der, was im Jüdischen so viel wie schäbig, geizig, kleinlich bedeutet, und er hat dunkle Haut.\“ Das ist soweit richtig, auf der anderen Seite verschweigt Pannor jedoch das dieser Begriff auf Umwegen über das Rotwelsche Eingang in die deutsche Umgangssprache nahm.

    Ob Mosaik tatsächlich ein wesentlich moderner Comic wie Mecki war ist sicherlich ein Vergleich wert – nur belegt Herr Pannor dies überhaupt nicht. Aber oftmals können Jugenderinnerungen auch täuschen.

  8. Meckifreund says:

    Gerhard Förster bat mich einen Artikel mit einem Interview von Reinhold Eschers Tocher hier einzustellen:

    Was meint Reinhold Eschers Tochter zur Mecki-Affaire ?
    Gerhard Förster vom Magazin DIE SPRECHBLASE interviewte Regine Mosimann

    Der Artikel in der Frankfurter Rundschau über Mecki von Stefan Pannor hat einige Aufregung verursacht. Lassen wir doch einmal jemanden zu Wort kommen, der die Produktion von Mecki hautnah miterlebte, Frau Regine Mosimann, die Tochter von Reinhold Escher, dem wichtigsten Mecki-Zeichner:

    „Stefan Pannor hat die fragliche Geschichte nur sehr oberflächlich gelesen, sonst hätte er bemerkt, dass die Zigeuner (sie hießen damals einfach so!) Meckis Freunde sind und der Zigeunerjunge Mirko ihm hilft, gegen die Schmugglerbande vorzugehen. Zwar ist der Übeltäter dunkelhaarig, doch seine Komplizin Gloria wird als „blondes Gift“ bezeichnet und sorgt für den Ausgleich der Gut-und-böse-Verteilung unter den Rassen. Natürlich müssen Böse wie Schurken aussehen und da hilft halt der lange schwarze Räuberbart bei der optischen Umsetzung. Das Wort ‚Lausedonien‘ klingt in meinen Ohren nicht sehr nach Escher. Das könnte evtl. der Geistesblitz eines HÖRZU-Redakteurs gewesen sein.“

    Dieses etwas ältere Statement wird nun auch durch ein Neues von Frau Mosimann ergänzt:

    „Nun habe ich mir die Geschichte „Das Allzweckfahrzeug“ (in der Esslinger Ausgabe ab Seite 47) noch einmal vorgeknöpft. Es geht um Folgendes: Theo Tick hat ein Allzweckfahrzeug erfunden. Sein Freund, Herr Schofel, und dessen blonde Freundin Gloria klauen ihm die Pläne und verkaufen sie an eine Schmugglerbande in Daschadoll bei Nitschewo im Lande Lausedonien, wo das Mobil mit Hilfe des Schlossers Schnapphahn produziert werden soll. Mecki verfolgt die Diebe und freundet sich mit dem Zigeunerjungen Mirko an. Mirko leistet wertvolle Hilfe und Mecki ist Gast im Zigeunerlager. Der Bösewicht Schofel wird auf S. 47 eingeführt. Er trägt einen Anzug und hat definitiv eine ungesunde hellgraue Gesichtsfarbe, die sich von allen übrigen Personen unterscheidet. In der gleichen Folge gibt Schofel ein Kostümfest, an dem er als Zigeuner verkleidet erscheint. Meckis Freunde, die Zigeuner, haben die gleiche Hautfarbe wie Mecki (S. 52 und S. 57). Auch die Schmuggler mit den schwarzen Bärten haben eine ’normale‘ Hautfarbe. In Lausedonien wird Herr Schofel als Ausländer tituliert (S. 59). Die Zigeuner kommen in der ganzen Geschichte positiv weg. Von Diskriminierung nicht die Spur! Der Böse ist ein Deutscher mit dunklen Haaren und blonder Freundin. Der FR-Rezensent hat bei seiner Kritik geschlampt. “

    An dieser Stelle möchte ich ergänzend noch die Umstände erwähnen, unter denen Mecki den Jungen Mirko kennenlernt. Dafür zitiere ich Pannors Artikel: “ ‚Hast du das Huhn gestohlen?‘, fragt Mecki einen zerlumpten Jungen. Das ist zwar nicht der Fall. Aber Ordnung muss schließlich sein.“ Das klingt so, als wenn der Protagonist dem Zigeunerkind mit totalen Vorurteilen entgegentritt. Tatsächlich ist es so, dass der Junge von Leuten verfolgt wird, die ihn (zu Unrecht) für den Dieb des Huhns halten. Meckis Frage liegt daher auf der Hand. Dies ist eines von mehreren Beispielen, in denen der Artikel den Leser in eine falsche Richtung führt.

    Auch zum Namen „Schofel“ ist etwas anzumerken. Wie mir glaubhaft versichert wurde, war das Wort „schofelig“, das für „geizig“ steht, im Hamburg der 50er Jahre ziemlich gebräuchlich und losgelöst von seiner jiddischen Sprachherkunft. Da der Ausdruck von den Juden selbst stammt und quasi eine Kritik am Geiz darstellt, dürfte der Schuss in Richtung Antisemitismus auch aus diesem Grund ins Leere gehen.

    An Pannors Zeitungsartikel fällt auch auf, dass der Autor keinerlei Verständnis für den zeitlichen Zusammenhang zeigt. Aus heutiger Sicht ist es sehr leicht, etwas als „politisch unkorrekt“ einzustufen. In Zukunft wird Esslinger, wie inzwischen verlautbart wurde, entsprechende Hinweise und Kommentare in den Bänden anbringen. Wie wichtig dem Verlag die „political correctness“ ist, sieht man schon daran, dass im Jahresband 1958 eine Seite, bei der man meinte, sie wäre heute nicht mehr vertretbar, ausgelassen wurde – auch wenn diese Maßnahme wohl etwas unglücklich gewählt war.

    Besonders kommentierungsbedürftig ist, dass Pannor in seinem Zeitungsartikel beide MECKI-Zeichner, Reinhold Escher und Wilhelm Petersen, in einen Nazi-Zusammenhang stellt. Petersen stand zwar der Nazi-Ideologie nahe – damit muss man leben (1) – doch Escher hatte damit ganz sicher nichts am Hut. Und er verantwortete den weitaus größten Teil der Episoden. Frau Mosimann: „Auf keinen Fall kann man Reinhold Escher in die Nähe von nationalsozialistischem Gedankengut setzen. Dieses war ihm aus tiefstem Herzen verhasst, wie auch alles Militärische. Dass er in den Krieg musste, war die Tragödie seines Lebens. Dass er statt zu kämpfen, Bildergeschichten machen durfte, war seine Rettung. Es ist lächerlich, ihm die damals entstandenen humoristischen Zeichnungen zum Vorwurf zu machen. Reinhold Escher war kein ausgeprägt politischer Mensch. Als junger Mann bezeichnete er sich augenzwinkernd als ‚Salonkommunisten‘. Später gab er seine Wahlstimme den Grünen. Vom Elternhaus her war die politische Ausrichtung klar sozialdemokratisch. Mit dem politischen Standpunkt des Axel-Springer-Verlags ist Reinhold Escher nicht gleichzusetzen. Er war ein äußerst toleranter Zeichner von spannenden und warmherzigen Kindergeschichten.“

    Pannor muss das gewusst haben. Im Wortsinn wird Escher ja auch nicht als Nazi bezeichnet, dennoch suggeriert seine Formulierung – und die Reaktionen auf den Artikel bestätigen es – dass beide Zeichner Nazis waren.

    Zuletzt erwähnt Frau Mosimann noch, dass Pannor Mecki mit Nick Knatterton vergleicht und dabei außer Acht lässt, dass es sich bei Mecki um Kindergeschichten in einer Programmzeitschrift handelt. Das heißt, er vergleicht Äpfel mit Birnen.

    Dass Comicfans über diese Art von Journalismus erbost sind, ist naheliegend. Dennoch werden Pannors Kritiker von manchen Leuten quasi als Fanatiker diffamiert. Hier möchte ich besonders Andreas Platthaus erwähnen. Als renommierter Journalist und Autor hätte er die fragliche Mecki-Geschichte zumindest lesen sollen (was er offenbar nicht getan hat), bevor er Pannor in Schutz nahm.

    Wie soll Stefan Pannor mit der Kritik an seinem Artikel umgehen? Eine Möglichkeit wäre, die Fehler einfach einzugestehen und künftig mehr Sorgfalt zu geloben. Solche Bekenntnisse schaden einem Menschen im Normalfall nicht, sondern weisen auf eine gewisse Größe hin. Um ein Beispiel aus der Politik zu bemühen: Barack Obama hat sich erst kürzlich für eine voreilige Aussage entschuldigt, von George W. Bush ist ähnliches nicht bekannt.

    Abschließend möchte ich als Herausgeber des Comicfachmagazins SPRECHBLASE noch Werbung in eigener Sache betreiben: Demnächst erscheint SPRECHBLASE 215. Auf 32 Farbseiten wird das Thema MECKI in allen Aspekten beleuchtet. Viele neue Informationen! Viele interessante Abbildungen! Weitere ausführlich behandelte Themen: die Fliegerserie TANGUY UND LAVERDURE und der TV-Klassiker MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE. Die Ausgabe erscheint im September und ist um 8,90 Euro im Comicfachhandel zu beziehen oder über: info@die-neue-sprechblase.at

    Gerhard Förster

    (1) Petersen schrieb allerdings keine MECKI-Geschichten. Sie stammen von der HÖRZU-Redaktion.

  9. dorett says:

    Ich vermute, das hauptsächliche Problem ist, dass Herr Pannor einfach zu jung ist, er kennt die 50er Jahre aus eigenem Erleben nicht. Die Spiessigkeit dieser Zeit spiegelt selbstverständlich auch das Mecki-Buch wider – Mecki kann nicht moderner sein als die Zeit, in der er erschaffen wurde.

    Dieser Aspekt wurde im Artikel meines Erachtens nicht ausreichend gewürdigt – durchaus verzeihlich – aber dennoch nicht korrekt! Ich bin über 60 und kenne die Zeit aus eigenem Erleben:
    wer es nicht erlebt hat, kann sich diese enorme Spiessigkeit wahrhaftig nicht vorstellen!

  10. Stefan Pannor » Blog Archive » Aktuelle Comicrezension (138): ‘Mecki’ says:

    […] muss das gar nicht weiter ausformulieren – Hintergründe zum “Fall Mecki” finden Sie hier und hier. Darüber hinaus in den FAZ-Blogs hier und beim Tagesspiegel hier. Der in diesem Blog […]

  11. Mono says:

    http://www.jungewelt.de/2011/04-05/016.php

  12. Stefan Pannor » Blog Archive » Comics, ganz ohne Blasen. Zur Neuedition von “Petzi” & “Fix und Fax”. says:

    […] Trotz aller Kritik verdient gemacht um klassische Kinderliteratur – und damit auch um den klassischen Kindercomic – hat sich der Esslinger-Verlag, mit seiner laufenden Mecki-Edition, der beinahe abgeschlossenen Lurchi-Gesamtausgabe und seit jüngstem auch mit Petzi. […]