Sage ich jetzt das böse Wort oder lasse ich es?
Sie wissen schon.
Mecki.
Aus diesem oder jenem Grund hatte ich in der Tat überlegt, die Rezension, die an dieser Stelle an der Reihe ist, hier auszulassen. Ich muss das gar nicht weiter ausformulieren – Hintergründe zum „Fall Mecki“ finden Sie hier und hier. Darüber hinaus in den FAZ-Blogs hier und beim Tagesspiegel hier. Der in diesem Blog veröffentlichte Text für die Leipziger Comic Combo (siehe hier) ist natürlich eine eingedampfte Version meines Beitrages für die Frankfurter Rundschau, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Und es war doch in der Tat alles ein Sturm im Wasserglas.
Reinhold Escher/ Wilhelm Petersen
MeckiIn den fünfziger und sechziger Jahren war die Figur des kugeligen Igels Mecki ein Hit. Nicht nur prägte sie den Namen der gleichnamigen Stachelkopffrisur. Dank einer Vielzahl an Mecki-Merchandising vom Kinderbuch bis zum Salzstreuer und dank der Mecki-Puppentrickfilme war die Igelfigur das erste Multimedia-Phänomen der Bundesrepublik. Zentrum des Geschehens war jedoch die „Hörzu“. Dort war Mecki seit 1949 das Blattmaskottchen, der das Magazin zuerst in launigen Illustrationen und später in wöchentlich ganzseitigen Comicepisoden begleitete. Auch auf dem Titelbild der „Hörzu“ kam er regelmäßig zum Einsatz.
Aus heutiger Sicht scheint die „Mecki“-Manie kaum noch nachvollziehbar. Die Geschichten waren nicht besonders aufregend erzählt. Die Handlung schritt behäbig voran. Text und Bild waren brav voneinander getrennt, wie man das von Bilderbüchern gewohnt war. Der weltweiten Comicentwicklung waren diese Geschichten mindestens ein Jahrzehnt hinterher – 1958, das Jahr, an dem die Gesamtausgabe des Esslinger-Verlages ansetzt, lagen bereits in Belgien die meisten aller „Tim & Struppi“-Abenteuer vor. In den USA bereitete sich der Donald-Duck-Zeichner Carl Barks auf seinen Ruhestand vor. Sogar in der kulturpolitisch gesteuerten DDR gab es mit dem „Mosaik“ einen wesentlich aufregenderen und moderneren Comic, dessen Helden in farbig-utopischen Abenteuern gerade dabei waren, den Sprung ins Weltall zu wagen.
Rückblickend ist es wohl vor allem die personifizierte Fünfziger-Jahre-Haftigkeit, die den Biedermann mit der Bundhose so beliebt machte. Der runde Mecki ist beleibtes Sinnbild des Wirtschaftswunderzeitgeistes, der am liebsten abends mit Pantoffeln zu Hause sitzt, wo ihm seine Frau das deftige Essen bereitet. Bei seinen Abenteuern auf der ganzen Welt (im vorliegenden Band u.a. in den Stillen Ozean und nach Indien), wahrt er stets kühle Distanz angesichts von Piraten, Prinzen und reichen Amerikanern.
Höchstes Ziel ist ihm die Gemütlichkeit: als nach langem Ringen der Südseezauberer Saladim endlich besiegt ist, sorgt Mecki auf dem fernen Atoll als erstes für die Errichtung einer Hütte mit Gardinen in den Fenstern und schmuckem Zaun drum herum. Meckis Abenteuer vermitteln den Eindruck einer exotischen, aber auch verwirrenden und gefährlichen Welt außerhalb Deutschlands. Damit verbindet sich in den Geschichten der Traum der Adenauer-Jahre von der großen weiten Welt mit den Ressentiments gegen diese.
Gestaltet wurden die Comicseiten abwechselnd von dem Zeichner Reinhold Escher und seiner Frau sowie von dem Kunstprofessor Wilhelm Petersen. Beide hatten im Dritten Reich für die Wehrmacht gezeichnet. Vor allem der von den Nazis hochdekorierte Petersen erfährt heute noch in rechtsextremen Kreisen Verehrung. Es mag an der Vergangenheit der Künstler liegen, dass immer wieder ein fragwürdiges Weltbild unter der oberflächlich harmlosen „Mecki“-Welt durchschimmert. Als der Igel und seine Frau den Schurken Schofel verfolgen, gelangen sie in einen vor allem von Zigeunern bevölkerten Landstrich, „Lausedonien“ genannt. „Hast du das Huhn gestohlen?“ fragt Mecki einen zerlumpten Jungen, den er trifft. Das ist zwar nicht der Fall. Aber Ordnung muß schließlich sein.
Esslinger Verlag, 60 S.; €14,90