Ebenfalls bei der Comic Combo derzeit noch unveröffentlicht (aber im Manuskript schon drei Wochen alt) – die Review zur Mick Tanguy-Gesamtausgabe bei Ehapa. Und ich muß zugeben: so launig der erste Band auf eine etwas verquere und anstrengende Art war, so wenig Lust habe ich derzeit auf den zweiten Band. Ich werde im Leben kein wirklicher Fan von Charlier mehr, scheint mir.

Ach ja: Eintrag #400 in diesem Blog. 🙂

Jean Michel Charlier/ Albert Uderzo
Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure – Gesamtausgabe
Band 1 – Die Schule der Adler

Mick TanguyDer gewaltige Schatten von „Asterix“ verdeckt die übrigen Comics von Zeichner Albert Uderzo nahezu völlig. Darunter auch die Serie „Tanguy und Laverdure“ die schon deshalb Beachtung verdient, weil sie zu den wenigen realistischen Comics im Oeuvre des Funny-Zeichners Uderzo gehört. Ab 1959 entstanden diese Erlebnisse zweier Piloten, passend natürlich zum Namen des Magazins ebenfalls in „Pilote“ veröffentlicht, zeitlich parallel zu „Asterix“ und der Indianerserie „Umpah-pah“, ebenfalls von Uderzo. Damit hatte der Zeichner zeitweise fünf vollständig ausgearbeitete großformatige Comicseiten pro Woche abzuliefern und musste Abstriche machen, um dieses gewaltige Pensum zu schaffen.

Überraschenderweise war ausgerechnet „Asterix“ Opfer dieser Selbstbeschränkung. Vergleicht man „Tanguy und Laverdure“ mit den gleichzeitig erschienen „Asterix“-Seiten, wird die Bevorzugung der Fliegerserie offenbar. (Sogar der relativ erfolglose „Umpah-pah“ war ihm damals offenbar lieber als „Asterix“.) Die frühen „Asterix“-Seiten sind häufig routiniert, aber detailarm. Dagegen strotzen die Erzählungen von der Ausbildung des Meisterflieges Michel Tanguy und seines etwas trotteligen Kompagnons Laverdure (der deutlich Oliver Hardy nachempfunden ist) von Beginn an von voll Saft und Kraft.

Ganz klar dabei im Vordergrund: auf- und niedergehende, rasende, schwebende, schlitternde, explodierende, ja überhaupt Flugzeuge, Flugzeuge, Flugzeuge. Uderzos Technikbegeisterung – er recherchierte damals für diese Serie mit Inbrunst auf Militärflughäfen – paart sich mit Einflüssen klassischer amerikanischen Comicstrips wie Milton Caniffs „Terry and the Pirates“ oder Roy Cranes „Buzz Sawyer“, die bereits während des Zweiten Weltkriegs das Sujet der Flieger- und Militärabenteuer ausloteten, und von denen der Franzose vieles in Stil, Schnitt und Darstellung übernahm. Unter den Bedingungen der ausklingenden sechziger Jahre in Frankreich war „Tanguy und Laverdure“ ein optisch hochmoderner Comic auf der Spitze des Zeitgeistes und der grafischen Erzählmethoden.

Heute strahlt der Stern des französischen Zeichners in den Fußstapfen seiner amerikanischen Vorbilder auf diesen Comicseiten doppelt aufgrund der zwar handfesten, aber wenig berauschenden Skripte von Jean-Michel Charlier, die äußerst schlecht gealtert sind. An den Geschichten des Vielschreibers („Blueberry“, „Der rote Korsar“) um feige Flieger und feindliche Agenten fällt heute vor allem ihre Geschwätzigkeit und der unreflektierte Hurra-Patriotismus eines Frankreich auf, das seine wenigen verbliebenen Kolonien und militärischen Auslandseinsätze längst noch nicht hinterfragte. „Tanguy und Laverdure“ ist klar die große Uderzo-Show, ein vor allem grafisch brillanter präpubertärer Action-Comic, eine aufregende Jungswelt – wir sind immerhin beim Militär – voll herrlicher Technik-Spielzeuge in Übergröße.

Gar nicht brillant ist leider die miserable Reproduktionsqualität der jüngst gestarteten Gesamtausgabe. In der schlierigen Darstellung gehen unzählige Details verloren. Mehr als einmal fehlen handelnden Figuren ganz oder teilweise die Gesichter, brechen eigentlich durchgehende Linien ab, verschwimmen Hintergründe zu einer unklaren Pampe. Wo diese Qualität von der des Originals abweicht, wurde der größte Makel der ursprünglichen Edition beibehalten: der beinahe pathologischen Hang zur Farbe Rosa. Rosa Himmel, rosa Häuser, rosa Gebirge, rosa Menschen bieten ein stellenweise surreales Leseerlebnis.

Acht Bände der Serie hat Uderzo gezeichnet, bei einem weiteren hat er noch übergangsweise mitgearbeitet, ehe sein Nachfolger übernahm. Als er die Serie verließ, stieg die Qualität seiner „Asterix“-Zeichnungen sprunghaft an. „Tanguy und Laverdure“ ist ein grafisch mitreißender, wenn auch inhaltlich flauer Abenteuer-Comic, der gerade für „Asterix“-Enthusiasten eine betrachtenswerte Lücke stopft – leider in einer dem Werk nicht völlig gerecht werdenden Edition. (stefan pannor)

Ehapa Comic Collection, 160 S.; € 29,95

5 Responses to “Aktuelle Comicrezension (147): ‚Mick Tanguy‘”

  1. Einkaufen-in-Tuttlingen says:

    […] Stefan Pannor » Blog Archive » Aktuelle Comicrezension (147 … […]

  2. Susumu says:

    Oliver Hardy? Muss wiedermal einräumen, ich kenn den Comic nicht. Fliegergeschichten sind nicht so meins, auch wenn ich wegen der Kombie Charlier/Uderzo schon mit dem Gedanken gespielt habe, da mal reinzuschauen. Aber: Gemessen am Titelbild würde ich doch eher meinen, da ist Stan Laurel gemeint, oder?

  3. Susumu says:

    Ah noch etwas, habe vergessen, das in den gleichen Post zu packen:

    Der Satz: >>Ab 1959 entstanden diese Erlebnisse zweier Piloten, passend natürlich zum Namen des Magazins ebenfalls in „Pilote“ veröffentlicht, zeitlich parallel zu „Asterix“ und der Indianerserie „Umpah-pah“, ebenfalls von Uderzo

  4. Susumu says:

    Upps, 2 Mal das „Kleinerzeichen“ schneidet einen Post hier scheinbar ab. (Hatte das verwendet um die Zitat-Anführungsstriche von denen der Eigennamen wie „Pilote“ abzuheben und das Ganze lesbarer zu gestalten. Bitte also den letzten Post gedanklich zu ergänzen um:

    … ist zwar an und für sich völlig korrekt, das hätte man aber find ich schon etwas verständlicher formulieren können. 😉

    Ich musste ihn schon dreimal lesen um den Sinn richtig zu erfassen. Jemand, der nicht weiß, dass „Umpah-pah“ im „Tintin“ erschienen ist, würde da (glaube ich halt) zwangsläufig annehmen, dass der Indianer ebenso im „Pilote“ erstveröffentlicht wurde.

  5. Stefan Pannor » Blog Archive » 3 auf 1: Die Erben says:

    […] TANGUY & LAVERDURE – die Gesamtausgabe […]