Baru/ Pelot
Elende Helden

&

Loustal/ Lehane
Coronado

von Stefan Pannor

BaruFür einen kurzen Moment ist nochmal alles in Ordnung. Die Schulkinder haben der alten Frau auf dem Außenklo einen Streich gespielt. Jetzt rennen sie fröhlich davon. Kindliche Euphorie und Einfachheit.

Bei Baru ist selten alles in Ordnung. Zwar hat er bereits fröhlich-melancholische Kindheitsgeschichten gezeichnet („Die Sputnik-Jahre“). Aber meist geht es bei ihm um sehr erwachsene Themen: Angst, plötzliche Ausbrüche von Gewalt, Neurosen.

Die schlägt sich hier Bahn, als im gleichen Ort ein mongoloides Kind verschwindet. Zwischen den suchenden Ordnungskräften, der am Boden zerstörten Lehrerin, die für das Verschwinden des Kindes verantwortlich gemacht wird, den Schulangestellten und den Dorfbewohnern brechen eine Vielzahl zwischenmenschlicher Fronten auf.

„Elende Helden“ ist eine Geschichte des Scheiterns, erzählt im Gestus der Wut. Das schöne an der Wut: sie ist ökonomisch, rasant und radikal. Jede der gut ein Dutzend tragenden Figuren, die Baru mit unnachahmlicher Ökonomie in die grade mal 70 Seiten Comic quetscht, versagt auf ganz persönliche Weise. Eine Achterbahnfahrt durch die Hölle Alltag. Am Ende bleibt nur der Schnee, der alles zudeckt, selbst die Wut über die Unvollkommenheit der Menschen.

CoronadoBeinahe wie ein Gegenentwurf dazu wirkt das neue Album von Loustal, „Coronado“, benannt nach dem gleichnamigen idyllischen Küstenort in den USA. Vierundvierzig Arten von Blau soll es geben, Loustal kennt sie vermutlich alle. Sie stehen, überreichlich eingesetzt in diesem Album, sinnbildlich für die Sehnsucht nach Coronado.

Die Geschichte von Bobby, der aus der Haft entlassen wird und sich zusammen mit seinem Vater auf die Suche nach den Diamanten macht, die er vor der Einfahrt versteckt hat, ist über weite Strecken ein Kammerspiel. Loustal tüncht diese Dialoge, zwischen Vater und Sohn, Gauner und Gauner, Witwer und Halbwaise, zwischen zwei Männern ohne Frau, in Farben, neben denen selbst Technicolor blass wirkt. Ein Seelenstrip in einem permanenten Feuerwerk.

Die Abstufungen knisternden Blaus und flammenden Rots sind atemberaubend, ebenso wie die strenge, klar dem Kino (oder vielleicht doch dem Theater) nachempfundene Seitengestaltung: zwei Bilder pro Seite, klassischer 16:9-Schnitt für dieses Gangstermovie, in dem selbstverständlich niemand je nach Coronado kommen wird. Wir sind hier schliesslich nicht in Hollywood.

Baru/ Pelot – Elende Helden: Edition 52; 80 S.; € 18,00
Loustal/ Lehane – Coronado: Schreiber & Leser; 96 S.; € 16,80

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