Meine wöchentliche Comicrezension, verfasst für die Leipziger Comic Combo und satt.org. Hier ausnahmsweise mal wieder der ganze Text. Sie können trotzdem beruhigt einen der Links anklicken. 😉

Fil & Diverse: Didi & Stulle im Schwitzkasten
Fil: Didi: No More Mister Nice Guy

Didi: No More Mister Nice GuyFil, der Head Honcho der Berliner Comicszene und vielleicht Deutschlands derzeit bester Comicmacher, ist ein überregional erstaunlich wenig besungener Künstler. In Berlin, wo er nicht nur seit Jahren im Stadtmagazin „zitty“ veröffentlicht, sondern auch regelmässig als Solokünstler auftritt und zeitweilig auch einen eigenen Verlag betrieb, verkauft der Zeichner von seinen Alben mehr Exemplare als die meisten deutschen Zeichner bundesweit.

Vermutlich erschwert die extreme Ortsgebundenheit vielen Lesern den Zugang. Fils Geschichten spielen in Berlin, oder auch mal in Himmel, Hölle, dem Universum oder Ganz-Wo-Anders – aber auch das ist letztlich immer irgendwie Berlin, definiert durch den lokalen Prolldialekt und das rüpelhafte, komplett charmefreie Auftreten seiner beiden Hauptfiguren Didi und Stulle.

Die beiden nun verfügen über keine einzige sympathische Seite. Stulle ist ein Loser, der nix verträgt und noch bei Muttern wohnt. In ewig serviler Ergebenheit erträgt er den Sadismus von Didi, von ihm fälschlicherweise als Freundschaft interpretiert. Didi ist fett, faul, hässlich und versoffen, arrogant, ungebildet, herzlos, notgeil und feige. Zusammen ergeben sie ein kaum noch steigerungsfähiges Unsympathen-Duo.

Daher erstaunt der Titel des neuen, inzwischen siebenten Albums „Didi: No More Mister Nice Guy“ zumindest den altgeübten Leser sehr. Und tatsächlich, irgendwie bleibt alles beim Alten. Fils Comics leben schon länger vom Charme des Improvisierten, das sich am Ende doch irgendwie zusammenfügt – diuesmal sind es gleich eine Handvoll Episoden um Studenten, Denkomaten, Rotzkugeln und Japaner, die am Ende ein wunderbar wirres Ganzes ergeben. Das ist, obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, kein billiger Hau-drauf-Humor a la „Werner“, sondern tatsächlich gezeichnete Anarchie. Fil, der Punk, der Ex-Jugend-Knackie, zeigt dem Leser den Stinkefinger, schert sich nicht um Erwartungen und Konventionen. Diese Unbefangenheit erzeugt den speziellen Reiz von Fils Comics.

Didi & Stulle im SchwitzkastenDass selbst die Darstellung des niedersten Proletentums eine hohe Kunst ist, zeigt dagegen „Didi & Stulle im Schwitzkasten“. Der Band, Ergebnis eines zwölfstündigen Zeichenmarathons diverser Künstler, enthält 13 Episoden um das Berliner Gesocks, davon drei von Fil. Es sind die überzeugendsten des Bandes. Oft etwas zu kopflastig, zu gewollt, möglicherweise einfach nur zu unsicher wirken die meisten der übrigen Beiträge. Sicher auch geschuldet dem Zeitdruck bei der Entstehung und dem für einige der Künstler einfach fremden Sujet.

Aber vielleicht ist es auch falsch, den Fil-Maßstab an dieses kleine Bändchen anzulegen. Für sich genommen sind fast alle diese Beiträge unterhaltsam und gut. Nur die Qualität eines Fil erreichen die meisten der Beteiligten eben nicht. Das allerdings kann man auch kaum erwarten.

Den Text finden Sie auch hier:

– im Forum der Comic Combo
– bei satt.org

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