Dritter Teil des kurzen, absolut unvollständigen und subjektiven Überblicks über diverse Erscheinungen zum Gratis-Comic-Tag. Erster Teil hier, zweiter Teil dort. Vierter Teil morgen.

Heute dabei: Thor, Missi Dominici, Orbital, Der Skorpion

Matt Fraction & John Romita Jr.
Thor
(Panini, 32 Seiten)

Dass das Marvel-Universum mit seiner überbordenden Continuity die meisten Autoren eher einengt als entfesselt, steht außer Frage. Im Stall der aktuellen Marvel-Schreiber gehört Matt Fraction zu denen, die besser mit dieser Komplexität zurecht kommen. Nicht nur, weil er sich seine eigenen Nischen gesucht hat – aktuell schreibt er bevorzugt Thor- und Iron-Man-Comics – sondern auch, weil er zu den wenigen gehört, die dem Leser das Gefühl vermitteln, das Marvel-Universum sei nicht nur kompliziert, sondern tatsächlich komplex.

Vorliegendes Heft betont alle diese Stärken, obwohl es im Kern recht simpel ist: Thor und Iron Man machen ein paar Billionäre klar, die vom Mond aus mit dem Klima der Erde Schindluder treiben. Ein schöner Action-Quickie, äußerst effektiv und ökonomisch erzählt und von angenehm zeigefingerfreiem Understatement.

Thierry Gloris & Benoit Dellac
Missi Dominici
(Ehapa Comic Collection, 48 Seiten)

Es muss ein Heidenspaß gewesen sein: „Lass uns doch einfach mal sowas wie die ‚X-Men‘ machen!“ – „Ja, aber im Mittelalter, darauf stehen die Leute!“ – „Und mit Magie, Magie geht immer!“ – „Und die Hauptfigur nennen wir Wolver… nein, Wolfram!“

Und so geschah es. Wolfram ist im Auftrag des Orden der Missi Dominici unterwegs, eine Schule für, nun ja, begabte Sonderlinge mit mentalen Kräften. Sein Gegenspieler ist ausgerechnet ein sich „Antichrist“ nennender Schurke, der sein Gesicht unter einem Metallhelm verbirgt. Der Rest der Geschichte ist ein blutiges Hauen und Stechen in einer Art von, noch mal nun ja, Mittelalter. Die barbarische Handlungszeit hindert nicht daran, die Episode als eindeutigen „X-Men“-Rip-Off zu erkennen. Immerhin ist es wesentlich opulenter gezeichnet als die derzeitigen „X-Men“-Comics.

Serge Pellé & Sylvain Runberg
Orbital
(Splitter, 48 Seiten)

Man könnte vieles an diesem Comic bemängeln. Wie der Plot – interstellare Diplomatenorganisation schickt ihre Agenten, die irgendwie auch geschulte Kämpfer sind, an galaktische Krisenherde – eigentlich keine Science Fiction nötig hat, sondern mit dem exakt gleichen Aufwand auch als ganz normaler gegenwartsnaher Thriller verfasst werden könnte. Wie die Figuren, jedenfalls in diesem ersten Band der Serie, blass und ohne Charaktereigenschaften bleiben. Nicht zuletzt, dass es offenbar, egal wo die Hauptfiguren im Universum hinkommen, schneit oder pisst wie aus Eimern.

Das Sehens-, Nennens- und Lesenswerte an Orbital sind Serge Pellés Zeichnungen, der sein komplexes Aliens- und Diplomaten-Universum in unterkühlten, sicher nicht zufällig an Enki Bilal erinnernden Farben und Strich gestaltet. Das ist tatsächlich mal arschkalter Schnee und pissiger Regen! Die unbehagliche Atmosphäre reißt die arg konventionelle Story wieder raus.

Stéphen Desberg & Enrico Marini
Der Skorpion
(Carlsen, 48 Seiten)

Dem Gepräge nach eigentlich keine Fantasygeschichte, sondern die Geschichte einer Verschwörung, und die geht so: irgendwann knapp nach Jesus‘ Tod haben sich diverse einflussreiche Familien zusammengesetzt, der erste Papst (Petrus wird hier nicht beim Namen genannt) war wohl auch dabei, und das Christentum erfunden als Religion für alle Obrigkeitsgläubigen armen Schlucker, und so die Menschheit in zwei Hälften geteilt – diejenigen, die sich an die lieben, netten sympathischen Regeln des Christentums halten, und diejenigen, die, weil sie wissen, dass es bloß ausgedachte Regeln sind, das nicht tun.

Und das ist eben doch Fantasy. Mit der Prämisse könnte man viel über Moral, Verantwortlichkeit und die Entstehung von Gemeinschaften erzählen. Stattdessen stricken Desberg und Marini ein Garn um Päpste, Kardinale, Giftmischerinnen und Säbelschwinger, das sich in seinen diversen Handlungsvolten selbst genug ist

7 Responses to “Gratis-Comic-Tag 2011 (03): Fantasy & Science Fiction”

  1. Marcus says:

    Ich glaube der private Identifikationscode hat da nichts zu suchen ansonsten bisher gelungene Umschau, die sich häufig mit meinen Ansichten deckt

  2. Stefan says:

    Stimmt wohl, aber andererseits kann auch keiner außer mir was mit diesem Code anfangen. 😉

  3. DMJ says:

    Für mich haben die Zeichnungen „Orbital“ nicht wirklich retten können.
    Hauptproblem schien mir, dass hier kaum etwas erzählt, sondern fast nur in eine Welt eingeführt wurde, die nicht so ungewöhnlich oder interessant ist, dass man sie auch einfach nur so mal erkunden möchte. Zudem wurden die Hintergrundinfos meist besonders plump mitgeteilt, indem Figuren sich gegenseitig Grundlagenwissen erzählen. – Man stelle sich einen Krimi vor, in dem eine Polizist gegen Neonazis ermitteln soll und beim Briefing erzählt ihm der Chef gleich Aufstieg und Fall des 3. Reiches. So in etwa geht man hier vor.
    Ist mir klar, dass es ein häufiges SF-Problem ist, aber hier schien es mir ganz besonders extrem.

  4. Stefan says:

    Ach, vllt. wollte ich nur nicht gar so scharf sein. Isch’a gratis, oder so. 😉

    Wie geschrieben: für den Plot braucht es eigentlich kein SF-Setting. Das ist für mich auch die Hauptschwäche, die dem ganzen auch viel Tenpo nimmt.

    Davon abgesehen… naja, ich hatte mich früher schon hier drüber ausgelassen, dass ausgerechnet im Comic Science Fiction selten wirklich ihr Potential ausschöpft. Das Problem sehe ich auch hier. Film und Literatur haben da ganz andere Margen gesetzt, die im Comic selten erreicht werden, weil viel zu sehr auf Schauwerte gesetzt wird.

    Hier, glaub ich:
    http://www.pannor.de/?p=320

  5. Stefan Pannor » Blog Archive » Sonntagslektüre: Odin goes Conan says:

    […] Thor/ Iron Man […]

  6. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2013 (01) says:

    […] Fantasy & Science Fiction […]

  7. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2013 (02) says:

    […] Fantasy & Science Fiction […]