Aus irgendeinem Grund wachsen Cartoonverlage ebenso schnell nach, wie andere eingehen. Möglicherweise, weil das Geschäft mit dem schnell zu fabrizierenden Bildwitz lockt, möglicherweise, weil Cartoonbücher immer noch beliebte Geschenke sind und nicht unter dem verbreiteten Stigma des Comic leiden, nur für einfältige Leser zu sein.

Mama, was ist eine PenisnaseWeildarum (das schreibt sich wirklich so) ist eine der neueren Gründungen, ein Berliner Verlag mit aktuell drei Buchveröffentlichungen und einem Postkartenset. Die Bücher zeigen etwas vom Glanz und viel von der Grenze des Cartoongenres.

„Mama, was ist eine Penisnase“ von Markus Magenbitter (hoffentlich ein Pseudonym) ist so eine Grenze. Die Cartoons wirken schnell heruntergeratscht, aber das ist nicht ihr Problem – häufig liegt in der Geschwindigkeit auch Eleganz. Allerdings fehlt es Magenbitter noch am Gespür für Timing. Klingt seltsam, ist aber so: obwohl nur auf ein Bild beschränkt, gehen viele Witze länger, als für die Pointe nötig gewesen wäre.

Das ist schon auf dem Cover zu sehen. „Mama, was ist eine Penisnase“, fragt der mit markantem Orifizium ausgestattete Junge. „Äh…“ macht die Mama, vollkommen unnötiger Zusatz. Der Leser sieht ja die Genitalriechkolben der Figuren. Dieses Immer-noch-was-hintendran ist markantes Merkmal aller im Buch folgenden Gags. Noch ’ne Zeile, noch ein Dialogfetzen, noch ein Bildelement. Cartoons sind keine Wimmelbilder, Cartoons sind die Geizhälse unter den Gags: bloss kein Element zu viel. Und gut müssen sie natürlich auch sein.

„Gleich kommt das Vögelchen“ von Steffen Gumpert ist da schon wesentlich versierter. Im Stil deutlich an Ralph Ruthe angelehnt, geht Gumpert die Gags direkter an, ökonomischer, dank der Reduktion auf das graphisch Notwendige leichter erfassbar. Und doch, richtig zünden möchte diese leider viel zu übliche Melange aus Hasen-, „Star Wars“-, Blondinen- und sonstigen Standard-Situations-Gags des deutschen Cartoon nicht.

Vorletzte GeräuscheEdelstück des Verlages ist, nicht nur weil es das dickste Buch des Hauses ist, „Vorletzte Geräusche“. Thema: das letzte Geräusch vorm Tod.Hier finden sich neben den üblichen Verdächtigen auch eine ganze Menge eher selten als Cartoon-Zeichner in Erscheinung tretender Künstler: Naomi Fearn, Andreas Eikenroth und andere Vertreter der aktuellen Independent-Generation, Sascha Wüstefeldt und Ulf Graupner aus dem „Mosaik“-Umfeld, Comicblogger wie Ulf Salzmann und Ivo Kircheis. Dazu Cartoon-Brandnames wie (c)Tom, Ari Plikat und Martin Perscheid.

Natürlich ist da auch nicht jeder Gag gelungen, grade die Konzentration des Morbiden, das permanente Gehsterbe kann schon auf den Geist gehen (bzw. wird irgendwann einfach fade aufgrund seiner Redundanz). Und doch finden sich hier ein paar surreale oder schlicht angenehm hemmungslose Ausrutscher, die in den anderen beiden Publikationen des Verlages so nicht vorkommen. Das ist immer noch keine optimale Anthologie (freilich ist mir in den letzten zehn Jahren keine einzige rundum gelungene Cartoon-Anthologie in die Hände gefallen), aber da geht immerhin was.

  • „Mama, was ist eine Penisnase“, 52 S.; € 5,00
  • „Gleich kommt das Vögelchen“, 56 S.; € 7,90
  • „Vorletzte Geräusche“, 100 S.; € 10,00
  • Die Website des Verlages.
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