Ein Künstler, der in Deutschland viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als er bekommt. (Der auf der anderen Seite aber auch mit seinem epochalen Meisterwerk Clyde Fans nicht voran kommt und sich so einer angemessenen Rezeption durch das Feuilleton ein wenig selbst im Weg steht.) Seth ist ganz sicher einer der großen Stilisten des modernen Comic, der eine Vielzahl anderer Künstler geprägt hat – und der auch ganz anders als gewohnt ernst kann, wie Wimbledon Green zeigt.

Im Forum der Comic Combo läßt sich der Text hier finden. Ein älterer Artikel über Seth findet sich hier.

Seth
Wimbledon Green

Wimbledon GreenNatürlich sehen Comicfans anders aus. Spätestens seit der nötigen Verjüngungskur durch das Aufkommen der Mangas und der Intellekt-Spritze mit dem Aufkommen des ‚Graphic Novel‘-Trendes sind Comicfans nicht mehr ausschliesslich dicke oder unrasierte oder ungeduschte, irgendwie seltsame Typen, die sich auf bizarren Fantreffen über unverständliche Dinge unterhalten.

Aber gerade weil Comicfans so völlig normale Menschen sind, macht es Spass, mit den Klischees zu spielen. So wie Seth, der mit „Wimbledon Green“ (trotz des Titels kein Comic über Tennis) eine entspannte kleine Zwischenarbeit geschaffen hat, die sich über die extremenen Auswüchse des Comicsammelns mokiert.

Dieser Wimbledon Green, klein, dick und altertümlich gekleidet, ist angeblich der größte Comicsammler der Welt. Unglaublich reich, geht er nicht nur mit manischer Energie auf die Jagd nach seltenen Comicerstausgaben, sondern auch mit High-Tech, einem exotischen Fuhrpark und diversen bezahlten Helfern. Sein Ziel: die exklusivste Comicsammlung der Welt. Dafür geht er auch mal weniger ehrliche Wege. Es ist ein wildes Leben, voller Verfolgungsjagden und geheimer Absprachen, Spekulationen über atemberaubende Geldsummen und Schatzsuchen. Alles für ein paar bunte Seiten Papier.

Diese Schilderung eines völlig ausser Kontrolle geratenen Sammlerverhaltens könnte eine bitterböse Satire sein. Und tatsächlich fängt diese Geschichte mit einigen gemeinem Portraits von Sammlern, Comichändlern und (natürlich fiktiven) äußerst raren Comics an. Seth freilich, der schon mit „Eigentlich ist das Leben schön“ das melancholische Portrait eines völlig vergessenen Künstlers geschaffen hat, will sich nicht über diese Sammler erheben.

So schleichen sich mehr und mehr warmherzige, nostalgische Töne in die Erzählung ein, die schließlich in einem langen Monolog Greens über zwei seiner Lieblingscomics gipfelt. Beide existieren nicht wirklich. Aber wie Seth seinen Green dort referieren läßt, wünscht man sich, sie täten es.

Green wird im Lauf des Buches von der lächerlichen und dubiosen Gestalt zur Sympathiefigur. Damit einher geht eine deutliche Steigerung der grafischen Qualität. Begonnen als Nebenbei-Arbeit in entsprechend flüchtigem Strich, steigert sich Seth in einen zusehends klareren und durchdachteren Stil, wie ihn auch seine größeren Hauptwerke auszeichnet. Damit ist dieses Buch nicht, wie von Seth im Vorwort behauptet, „grade gut genug“. „Wimbledon Green“ ist eine Liebeserklärung an das Medium und die Typen, die sich für dieses Medium begeistern, mit, trotz und wegen ihrer Schrullen und Macken. (stefan pannor)

Edition 52; 128 S.; € 25,00

One Response to “Aktuelle Comicrezension (135): ‚Wimbledon Green‘ von Seth”

  1. FrF says:

    Seths „George Sprott“ ist übrigens immer noch online bei der NYT zu lesen. Seit einigen Monaten gibt es diese sehr schöne Serie mit zusätzlichem Material auch als Buch.

    http://www.nytimes.com/ref/magazine/funnypagesSprott.html