Von 1996 bis 2001 veröffentlichte der damals noch in Saft und Kraft stehende Dino-Verlag „Lobo“, eine Superhelden-Brachialparodie. Die monatlichen Hefte wurden mit Artikeln über Metalbands, Pornostars und Leserbriefen aufgepeppt, die angeblich die Titelfigur der Serie in ihrer pöbeligen Art selbst beantwortete, und zählten zu den erfolgreichsten Superhelden-Titeln des Verlages. Das hilft, um zu verstehen, weshalb „Deadpool“ bei Panini erscheint und wie er erscheint.

Denn die Heftserie wirkt wie ein Aufguß des vor einem Jahrzehnt erfolgreichen „Lobo“-Konzepts, gerichtet möglicherweise sogar an die selben Kunden. Auch ohne Metal und Pornostars: bizarre Leserbriefe und seltsame Antworten des Titelhelden wirken in Tonfall und Gestus unerwartet vertraut, der Humor ist mindestens ebenso flau wie damals und klar auf den schnellen Schenkelklopfer der – inzwischen – Generation 30+ ausgerichtet. (Oder wer lacht heute sonst noch über einen angeblichen Leserbrief einer sogenannten „Pamela A.“?) Abgerundet wird der redaktionelle Teil von einem Lobgesang auf Lady Gaga im Fleischfummel. Ah ja.

Dabei kann man nicht behaupten, dass die „Deadpool“-Comics eine schlechte Wahl seien – weder für dieses redaktionelle Konzept noch für sich allein. Seit er vor zwei Jahren eine Nebenrolle im „Wolverine“-Film hatte, erfreut sich der großmäulige Söldner im amerikanischen Fandom größter Beliebtheit – was Marvel in den USA mit bis zu drei monatlichen Heftserien, diversen One-Shots und Spin-Offs kräftig ausnutzt. Es ist ein Fall von spätem Ruhm. In den USA stand die Serie in der Vergangenheit vor dem Film mehrmals vor dem Aus, in Deutschland erschien von den ganzen Heften nur ein Team-Up mit Daredevil. Insbesondere Ende der Neunzigerjahre, als „Deadpool“ unter dem Autor Joe Kelly eine Parodie und einer der wenigen witzigen Superhelden-Comics dieser Zeit darstellte, flohen die Käufer in Scharen. (Unnötig zu sagen, dass selbst diese Hefte in den Staaten inzwischen nachgedruckt werden, weil der Bedarf offenbar so groß ist.)

Von Kellys parodistischem Ansatz ist in den jüngsten Heften allerdings wenig zu spüren. Daniel Way, bei weitem der aktivste „Deadpool“-Autor, ist eher der Mann fürs Grobe. Hätten Bud Spencer und Terence Hill jemals mit einem der Meister des italienischen Splatterfilms zusammengearbeitet, wäre vermutlich genau das heraus gekommen (vor allem in der deutschen Synchro). Dümmliche Scherze und ein Held, der begriffsstutziger ist als Homer Simpson, stehen in Kontrast zur Brachialaction, die schon deshalb banal erscheint, weil sie in ihrer gewollten Übertreibung so vorhersehbar ist. Wo die Episoden satirische Ansätze aufweisen (in der vorliegenden Ausgabe mit Verweisen auf sattsam bekannte Piratenklischees), dienen diese doch nur nals Aufhänger für weitere Gemetzel. Am Ende der größte Fehler der Comics: dass zwischen Bleihagel und Blutgesaller alle Figuren, Helden wie Schurken, keine charakterliche Ausformung erfahren und dem Leser allesamt egal bleiben. So bleibt der Humor oberflächlich, ziellos, ohne innere Anbindung.

Das erinnert dann ebenfalls nicht zu Unrecht an „Lobo“, und zeigt nicht nur, wo die Zielgruppe für die Hefte liegt, sondern auch, dass der Verlag damit sogar Erfolg haben könnte.

Panini Comics, 76 S.; €5,95

6 Responses to “Bleihhagel und Blutgesaller”

  1. Oliver L. says:

    Guter Artikel! Wahre Worte… Nur ein Hinweis: Im Rahmen von „Civil War“ sind noch ein paar Hefte aus „Cable & Deadpool“ erschienen. Und, bevor ein wütender Lo-Pool auftaucht, es gab noch die zwei SoBas. 😉

  2. Stefan says:

    Okay, kam vllt. etwas undeutlich rüber: ich bezog mich auf die „klassische“ Serie. (Was man so „klassisch“ nennen kann, wenn es grad mal 10 Jahre alt ist.)

  3. Christian says:

    Ach Hopser … wenn ich schon fast glauben mag, dass mich niemand versteht, dann hab ich am Ende eben doch immer noch dich. 😉

  4. Oliver L. says:

    Klang allgemeiner, ja. An und für sich ja nicht tragisch. Aber Du weißt ja… 😉

  5. Bouncie says:

    Was die „Leserbriefe“ angeht magst Du sehr wohl recht haben. 🙂 die Story an sich finde ich allerdings recht kurzweilig.

    Was eine VÖ der 97er Serie angeht hat es neben dem von Dir angesprochenen Annual mit Daredevil aber auch noch die Story mit dem Punisher nach Deutschland geschafft ( Marvel Crossover #29 ). Die anderen Vö wurden ja schon angesprochen.

  6. Oliver L. says:

    Die Leserbriefe fand ich damals bei „Lobo“ schon grauenhaft. Rezis zu Comics oder Musik waren zumindest eine nette Idee (Games auch, trifft halt nicht mein Interesse). Die Umsetzung… da kann man geteilter Meinung sein.