Die im vergangenen Jahr gestartete Zombie-Serie „The Walking Dead“ um die Abenteuer des Ex-Cops Rick Grimes in einem von Untoten bevölkerten Amerika bricht derzeit alle Quotenrekorde des US-Kabelfernsehens. Seit 2004 zeichnet Charlie Adlard die Comicvorlage zur TV-Serie, nach Skripten von Robert Kirkman, der auch Koproduzent der TV-Serie ist. SPIEGEL-Online unterhielt sich am Rand der Frankfurter Buchmesse mit Adlard über den Erfolg des Titels.

SPON: Fragen wir ganz direkt – sind Sie Millionär?

Adlard: (lacht) Ich kann hier doch nicht meine finanzielle Lage offenlegen! Aber ja, es läuft schon recht gut…

SPON: Sie haben eine sehr erfolgreiche Fernsehserie und natürlich die Comics, die Sie zeichnen, im Rücken. Da muss schliesslich Geld drin stecken.

Adlard: Keine Frage. Aber so viel ist das bei einer Fernsehserie gar nicht, zumindest nicht, wenn man nur die grundlegende Idee dazu liefert. Wir, Robert Kirkman und ich, kriegen eine bestimmte Summe pro Episode. Nicht viel, aber es rechnet sich, spätestens wenn die Serie in Wiederholungen läuft und durch die internationalen Ausstrahlungen. Wo für uns im Moment das Geld her kommt, ist die Gratis-Publicity für den Comic und die zusätzlichen Leser dadurch.

SPON: Sie haben den Vorteil, Miteigentümer der Comicserie zu sein.

Adlard: Richtig. Robert Kirkman gehören fünfzig Prozent der Comicserie, Tony Moore, der die ersten sechs Hefte gezeichnet hat, zwanzig Prozent und mir dreissig Prozent. Das ist ausgesprochen großzügig von Robert, immerhin hätte er nicht teilen müssen. Wir verdienen so alle an den Lizenzeinnahmen.

SPON: Sie haben „The Walking Dead“ ab Heft sieben als Zeichner übernommen. Da war es eine eher mäßig laufende Indie-Comicserie. Was hat Sie an dem Titel überzeugt?

Adlard: Robert hat mich zwischen zwei Aufträgen erwischt. Das war die selbe Woche, in der Marvel Comics mir „Warlock“ angeboten hat. Robert war ganz knapp eher. Er schickte mir das Skript und die Hefte, die Tony Moore gezeichnet hat, und ich sah, dass es nicht einfach eine weitere Zombiegeschichte war.

SPON: Da hatten Sie’s ja leicht. Tony Moore hat alle grundlegenden Entwürfe kreiert, und sie sind in seine Fußstapfen getreten.

Adlard: Das wirkt von außen vielleicht so. Aber man darf nicht vergessen, dass „The Walking Dead“ in der Realität spielt. Bei sowas entwirft man die Dinge nicht wie in einer Science-Fiction- oder Fantasy-Serie aus dem Kopf heraus. Man muss es sich in der Realität zusammensuchen. Das einzige, was ich von Tony übernommen habe, waren die groben Entwürfe der Figuren, die ich dann in meinem Stil interpretiert habe.

SPON: Haben Sie, wenn Ihnen schon Teile der Serie gehören, Einfluss auf den Handlungsverlauf der Comics?

Adlard: Sagen wir, ich könnte welchen haben, wenn ich Robert darum bitten würde. Es ist einfach gegenseitiger Respekt. Ich mische mich nicht in die Skripte ein und Robert sich nicht in die Zeichnungen.

SPON: Gilt das auch für die Fernsehserie? Robert Kirkman ist als Koproduzent dort stark eingebunden. Sie dagegen tauchen fast gar nicht in diesem Zusammenhang auf.

Adlard: Robert will da halt mitmischen. Für mich ist das schwerer, schon deshalb, weil ich nicht in den Staaten lebe. Außerdem kann Robert als Autor praktisch überall arbeiten. Ich als Zeichner brauche ein Studio oder zumindest einen eigenen Arbeitsplatz. Der andere Grund wäre, dass ich mit der Fernsehserie das Gefühl hätte, mich zu wiederholen.

SPON: Wobei Sie das ja in der Comicserie durchaus tun. Ich meine, wie viele Möglichkeiten gibt es, einen Zombie zu töten?

Adlard: (lacht) Ja, klar, das kann schon etwas monoton sein. Zum Glück ist das Zombiekillen nur ein sehr geringer Teil von „The Walking Dead“.

SPON: Meine Theorie ist, dass „The Walking Dead“ im Kern eine Westernserie ist, nur mit Zombies statt Indianern.

Adlard: Ich vergleiche „The Walking Dead“ lieber mit „Lost“. Da geht es auch um ein paar gestrandete Figuren unter extremen Umständen. Nur dass das bei „Lost“ die verlassene Insel ist und bei uns die Zombie-Apokalpse. Abgesehen davon, ist es völlig gleich.

SPON: Sie zeichnen „The Walking Dead“ seit sieben Jahren. Auf dem amerikanischen Comicmarkt eine ungewöhnlich lange Zeit. Die wenigsten Zeichner binden sich länger als ein Jahr an eine Serie. Was hält Sie?

Adlard: Zuerst mal bin ich schnell genug, um den monatlichen Rhythmus einzuhalten. Ein Heft schaffe ich in drei Wochen, dann bleibt mir noch eine Woche für anderes. Außerdem scheine ich anders zu ticken als viele gegenwärtige Comiczeichner. Ich mag es, so tief in einer Comicserie drinzustecken, dass ich die Figuren in- und auswendig kenne. Wenn ich früher Miniserien gezeichnet habe, waren die meist vorbei, bevor ich die Figuren kannte und richtig mit ihnen warm wurde. An „The Walking Dead“ gefällt mir, dass ich den Figuren den ganzen Weg bis zum Schluss folgen kann.

SPON: Ist ein Schluss geplant?

Adlard: Nein. (lacht) Sicher wird mal irgendwann ein Ende kommen. Spätestens wenn die Verkaufszahlen einbrechen. Aber im Moment gibt es keine Pläne, die Serie zu beenden. Robert Kirkman redet schon über Heft fünfhundert. Das macht mir dann doch ein wenig Angst.

SPON: Eine sehr sadistische Vorstellung. Was kann man Rick Grimes fünfhundert Hefte lang antun?

Adlard: Es ist auf jeden Fall so, dass die Serie ihre lichteren Momente braucht. Wäre alles nur total ausweglos, würden wir sehr schnell Leser verlieren. Es muss Hoffnung in der Erzählung geben, einen positiven Kontrast, sonst funktioniert der Horror nicht.

SPON: Und man kann der Hauptfigur auch nicht endlos die Hand abhacken, wie in der Heftserie geschehen.

Adlard: (lacht) Das kann ich glaube ich garantieren: Rick wird nicht noch eine Hand verlieren!

SPON: Gibt es eine Sache, die Sie dazu bringen würde „The Walking Dead“ aufzugeben?

Adlard: Klar. Wenn’s mich langweilt oder Robert ideenlose Skripte raushaut.

SPON: Der Tod der Hauptfigur würde Sie nicht rausreissen?

Adlard: Gar nicht! Ich fände das toll! Was nicht heisst, dass wir das vorhaben. Aber ich glaube, „The Walking Dead“ ist keine Serie über einen Haupthelden. Kennen Sie die britische TV-Serie „Blake’s 7“? Die Hauptfigur, Blake, stirbt nach zwei Staffeln, was die Serie nicht gehindert hat, noch zwei Staffeln weiterzulaufen.

(Interview entstanden auf der Frankfurter Buchmesse 2011. Erstmalig publiziert auf SPIEGEL-Online. Unredigierte Manuskriptfassung. (c) Stefan Pannor.)

Ein längerer Artikel über Comic- und Fernsehserie findet sich hier.

3 Responses to “‚The Walking Dead‘: „Wie ‚Lost‘ mit Zombies“ – Interview mit Serien-Schöpfer Charlie Adlard”

  1. Ray says:

    Ab Heute gibt es The Walking Dead endlich auf DVD & BluRay. Für alle interessierten haben wir ein kleines Gewinnspiel bei dem man die Komplette erte STaffel auf DVD gewinnen kann.
    http://mannster.de/2011/10/27/mannster-special-the-walking-dead-auf-dvd-und-bluray-3/
    Coole Serie!

  2. Stefan says:

    Nicht dass ich diese Art von Eigenwerbung besonders mag…

    Btw.: „Grafik-Novelle“? You got to be kidding me…

  3. Stefan Pannor » Blog Archive » Ja, wo laufen sie denn hin? – Robert Kirkmans Serie „The Walking Dead“ ist der erfolgreichste Zombie-Comic aller Zeiten says:

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