Was für ein Aufwand! Nur um dieses Buch zu veröffentlichen, wurde in den USA ein eigener Verlag gegründet: „Holy Terror“ von Frank Miller, das ursprünglich eine Batman-Geschichte werden sollte, bis dem Verlag Millers eigenwillige Interpretation vom Kampf des Dunklen Ritters gegen islamistische Terroristen zu heiss wurde. Jetzt liegt der Band auf deutsch vor.

Man könnte meinen, sie haben sich abgesprochen. Craig Thompson, der jüngst mit „Habibi“ seinen ersten langer Comic seit seinem weltweiten Bestseller „Blankets“ vor sieben Jahren vorgelegt hat. Und Frank Miller, Autor und Zeichner von Graphic Novels wie „Sin City“ und überhaupt zentrale Figur in der Geschichte des Mediums, der nur wenige Tage später ebenfalls nach jahrelanger Wartezeit nachlegt.

Zumal beide sich am selben Thema abarbeiten: dem Islam, und dahinter steckend das amerikanische 9-11-Trauma, die Ratlosigkeit des Umgangs mit der islamischen Kultur. Wo Thompson allerdings in „Habibi“ das Mittel der Parabel wählt und durch eine dezidierte Darstellung für Verständnis wirbt, haut Miller einfach drauf.

Innenansichten aus dem Kopf eines Rednecks

„Holy Terror“ heisst das groß- und querformatige Album, das nahezu durchgängig aus ganzseitigen Zeichnungen besteht. Ein Comic ganz in Cinemascope. Mit diesem Format hatte Miller bereits in „300“ gearbeitet, seiner Perser-Graphic-Novel, von Zack Snyder erfolgreich ins Kino gebracht.

„300“ allerdings war in klarem Strich gezeichnet. Das Epos von der Schlacht an den Termophylen war von Miller wie eine wagnersche Oper inszeniert, mit wiederkehrenden graphischen Leitmotiven wie marschierenden Soldaten und in die Luft gereckten Waffen, mit denen er seine Themen von Durchhaltevermögen und Machomännlichkeit dem Leser in aller Deutlichkeit reindrückte.

„Holy Terror“ dagegen ist, vor allem in der ersten Hälfte, eine Orgie aus Schlieren, Strichen, Sprenkeln. Über die vermutlich recht klaren Bleichstiftzeichnungen hat Miller einen dicken Nebel graphischer Sperenzchen gelegt. Wie sie sehen, sehen sie nichts: alles verschwimmt im unklaren, ambivalenten.

Das macht, so faszinierend es aussieht, es schwer, dem Geschehen zu folgen. Da ist ein Superheld, Fixer genannt, der einer netzbestrumpften Diebin folgt, die eine Brosche gestohlen hat. Irgendwie haben beide Sex, dann geht eine Bombe hoch und die Muslime greifen an. Und der Fixer macht sie alle.

US-Gegenwart als Assoziativspiel

In das eigentliche Geschehen, so dünn es ist, streut Miller Bilder von Personen und Ereignissen, die gemeinhin mit 9/11 und der daraus entstandenen politischen Kultur assoziiert werden. Michael Moore, George Bush, Barack Obama, Sequenzen einer Steinigung im Iran. Sie schwimmen in der Nebelsuppe, tauchen unerklärt auf und verschwinden so schnell wieder.

Gleichzeitig betont der Fixer, der mit Fäusten und schweren Waffen für Ordnung sorgt, also ein weiterer jener überharten Selbstjustiz-Vigilanten, die sich in fast allen Miller-Comics finden, jetzt absolut den klaren Durchblick zu haben.

Das liest sich wie eine Parodie auf die potentiellen Teaparty- und Sarah-Palin-Wähler, auf Menschen, die ihre Informationen vom rechtslastigen TV-Sender Fox News beziehen. Vermutlich so muss man sich die Welt mit den Augen eines Rednecks vorstellen, als bizarrer schlieriger Brei mit ein paar Klischeefleischstückchen darin und der Illusion, voll den Durchblick zu haben.

Der Batman-Comic, den DC nicht wollte

Aber ist das Absicht? Tatsächlich war Miller noch nie dafür bekannt, besonders feinfühlig zu sein. Seine Comics, darunter das epochale „The Dark Knight Returns“, mit dem er im Alleingang Mitte der Achtzigerjahre die Renaissance der damals ziemlich heruntergewirtschafteten Figur Batmans besorgte, oder das als Hommage auf klassische Hard-boiled-Filme und -Romane zu lesende „Sin City“, bestehen vorrangig aus atemberaubenden Verfolgungsjagden und Prügeleien, konterkariert von in der Regel komplett kaputten Typen.

Es gibt keinen einzigen Miller-Comic mit einem positiven oder gar liebenswerten Helden. Selbst sein „Daredevil“-Run, noch am nächsten am klassischen Selbstverständnis des Superhelden, war die Geschichte eines masochistisch sich selbst quälenden Vigilanten, an deren Ende Drogen und Tod standen (auch wenn es nicht der Tod der Titelfigur war).

Vor allem im letzten Jahrzehnt hat sich in die regelmäßige Inszenierung des Leidens ein deutlicher Hang zur Provokation, genauso aber auch zur Selbstsatire eingeschlichen.

Als Miller, überzeugt durch ein Millionenhonorar, sich nach jahrelangem Betteln seitens des Verlages bereiterklärte, eine Fortsetzung von „The Dark Knight Returns“ zu machen, geriet der Dreiteiler zur kompletten Selbstparodie. Eine bonbonbunte Geschichte ohne Hand und Fuß, voller abstruser Ideen wie der, daß der Superheld Flash – der schnellste Mann der Welt – in einem Laufrad mit Dynamo die Stromversorgung der USA besorgt.

In „All-Star Batman“, einer bis dato zehnteiligen Miniserie, besteht die Handlung größtenteils daraus, daß die Hauptfigur im Batmobil ziellos durch die Gegend fährt. Dazwischen gibt es Bilder von Catwomans Arsch im Tanga.

Möglich, dass sich DC Comics diese fortgesetzte Provokation, für die sie noch dazu viel blechen mussten (an der Verlag wie Autor aber auch reichlich verdienten, beide Titel waren Bestseller), einfach zu viel war. Usprünglich sollte der neue Miller als „Holy Terror, Batman“ erscheinen.

Zu blöd zum Bombenbauen?

Unschwer läßt sich der Fixer als wuchtiger Batman Millerscher Prägung erkennen, und jene Diebin als Catwoman. Unschwer lässt sich auch erkennen, dass die Geschichte anfangs für das Heftformat angelegt war. Fast jede Seite im ersten Drittel des Buches zerfällt in eine linke und eine rechte Hälfte, die beide für sich gelesen werden müssen.

Jedenfalls wechselte der Titel mittendrin den Verlag, irgendwann um den Zeitraum herum, als Miller ankündigte, einen „Propaganda-Comic“ zu machen, ein Buch „das so ungefähr jeden anpissen wird“. Denkbar, dass DC Comics Angst hatte vor der Reaktion aus dem radikalislamischen Lager.

Denn Miller stellt die Antagonisten, die Gotham City, Verzeihung, es heisst ja jetzt Empire City, in Schutt und Asche legen, durchgängig als verbohrte, verklemmte Radikale dar. Noch dazu nicht besonders klug: sie schaffen es nicht einmal, eine Bombe richtigrum aufzustellen. Gewidmet ist das Buch Theo van Gogh, dem 2004 von einem Islamisten ermordeten Filmemacher

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One Response to “Batmans Feldzug gegen den Terror (Teil 1)”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Batmans Feldzug gegen den Terror (Teil 2) says:

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