Und da war er wieder. Flix. Alle Tage wieder? 😉 (Wer das nicht versteht, schaue einfach hier hin.)

Deshalb ohne lange Vorrede der Text für die Leipziger Comic Combo. (Nur am Rande der Verweis auf einen grandiosen Verriß eines der diversen Hanz Mentze in der Titanic, den ich, obwohl ich das Buch mag, aus seiner Perspektive verblüffend nachvollziehbar finde.)

Flix
Da war mal was

Erinnerungen sind selbstverständlich trügerisch. War der Kirschbaum im Garten wirklich so groß? Roch es bei der Tante wirklich so komisch? Ist Colt Seavers wirklich der coolste Held aller Zeiten?

Und überhaupt: wie war das denn früher, in Deutschland, damals noch BRD und DDR?

Für „Da war mal was …“ lässt Flix erinnern. Der Band druckt jene Geschichten ab, die seit geraumer Zeit im Berliner „Tagesspiegel“ erscheinen. Flix hat illustriert, was Freunde und Bekannte und Zufallsbekannte ihm erzählt haben, über früher und über hüben und drüben. Es sind sechsundzwanzig kurze Aufnahmen dessen, was vom Damals übrig bleibt. Ulrich erinnert sich, wie er bei einem Ostbesuch verloren ging. Moritz daran, wie er sich die DDR als großes schwarzes Loch vorstellte. Gero an den Zwiespalt, daheim Westpakete zu öffnen und in der Schule den braven Jungpionier zu spielen.

Auch wenn viele Erinnerungen mit der DDR zu tun haben, ist es weder ein absolut auf den Osten Deutschlands reduzierbares Buch noch ein zwingend politisches. Diverse Geschichten spiegeln ganz normalen Alltag unter besonderen Umständen – wie Hanno in der DDR James Bond spielte oder wie Anjas Wellensittich die Titelmelodie der Tagesschau auswendig lernte.

Es ist ein überaus privates Buch – und das Private ist nicht immer nett. Flix illustriert auch Erzählungen von Republikflucht, von Stasiverhören, von Nachwendetraumata. Weil Flix hier nicht sich selbst zeichnet, kommen die Geschichten ohne die mitunter etwas penetrante Harmoniesucht seiner sonstigen Comics aus. Im Gegenteil: neben den amüsanten und romantischen Erzählungen sind einige Geschichten düster, bitter, neurotisch. Heikes Geschichte von der Fehlgeburt mit vierzehn etwa. Oder Meike, die berichtet, wie ihre Eltern nach drüben – nämlich in die DDR – ausgewandert sind, nur um dort letztlich ebenso vom System frustriert zu sein wie in der alten Heimat.

Die ungewohnten Sujets erzwingen ungewohnte grafische Umsetzung. Wie in keinem anderen seiner Bücher experimentiert Flix hier mit der Form, gestaltet Seiten als Memoryspiel, als alptraumhafte Silhouettensequenz oder als große Ausklappseite. Schatten und Schraffuren erweitern seinen üblichen Strich hier markant.

Damit rekonstruiert Flix in begeisternder grafischer Vielfalt Erinnerungen, die nicht die seinen sind. Macht aber aus ihnen – gerade weil Erinnerungen eben dazu neigen, subjektiv, trügerisch und verfremdet zu sein und weil jede Erinnerung damit etwas Einmaliges ist – ganz und gar eigenständige Episoden. (stefan pannor)

Carlsen Comics, 104 S.; €14,90

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