Marvel NOW – das soll ein Neustart des Marvel-Superhelden-Universums sein, aber sanfter als bei den Kollegen von DC, die da recht ruppig vorgingen. Man könnte auch sagen: es bleibt alles gleich. Oder doch nicht? Ein kurzer Abriß in mehreren Teilen.

Rick Remender/ Diverse
Uncanny Avengers

Es gibt nun also drei „Avenger“-Comicserien in Deutschland. Das liegt, natürlich, am Erfolg des Kinofilms und ist überraschendes Gegenteil zu den Jahren von ungefähr 2000 bis 2010, als die „Rächer“, wie sie hierzulande traditionell hießen, eher überschaubaren Anklang fanden – eine Vielzahl Neustarte, Formatänderungen und Auszeiten dokumentieren das.

Der Kampfpreis, mit dem Panini die erste der drei Reihen startet, zeigt, welche hohen Hoffnungen der Verlag in das Projekt, zugleich Auftakt eines Quasi-Neustarts des Marvel-Universums in den Comicheften, setzt.

Kann der Comic mit den Erwartungen mithalten? Naja. Fast alle Superheldenhefte der letzten Jahre, egal aus welchem Verlag, kranken daran, dass sie zu sehr Inhalt und Sprache der Kino-Blockbuster imitieren wollen, statt die erzählerischen Stärken des Comics auszuspielen.

Für „Uncanny Avengers“ heißt das viel Krachbumm, wenig Charakter. Für den Einstiegs-Vierteiler werden gleichmal ganze Stadtteile zerlegt, Nazis und Riesenroboter tauchen auf.

Ergibt das Sinn? Nein. Natürlich war auch der „Avengers“-Kinofilm ein Schlachtepos. Aber stets mit Blick auf die Figuren und ihr Innenleben. Remender imitiert den Rummel des Films, lässt den Leser aber über die Motive der Figuren weitgehend im Unklaren.

Das kann man mal machen – weite Teile des Superheldengenres bestehen eher aus einem archetypisierten Kampf von Gut gegen Böse statt aus charakterlich motivierter Aktion (sprich: Haudrauf) – ist aber für den Einstieg in eine neue Serie nicht unbedingt förderlich. Da ist Besserungsbedarf.

100 S.; € 9,95

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Jonathan Hickman/ Jerome Opena
Avengers

Ganz ähnlich bei der monatlichen Heftserie. Zuerst einmal der Unterschied: Jonathan Hickman kennen wir als continuityverliebten Autoren u.a. für seine „Fantastic Four“-Hefte, die nur für Hardcore-Fans verdaulich verständlich waren.

Das ist auch die Stolperfalle seiner „Avengers“-Heftserie. Wer da wer ist, das wird oft nur am Rande erklärt, obwohl es grade bei vielen Figuren aus der B-Liga nötig wäre. (Das Editorial kann da aus Platzmangel auch nur begrenzt Abhilfe schaffen, obwohl es sein Bestes gibt.)

Ignorieren wir aber, wer da die Figuren sind, bleibt es vor allem die Jerome-Opéna-Show. Und die ist sehr sehr gut. Der Filippine ist hierzulande noch kaum in Erscheinung getreten, ein Großteil seiner Arbeiten für amerikanische Mainstreamverlage nicht in Deutschland erschienen.

Das ist, schaut man sich seine Arbeit in Avengers“ an, schade. Zwar schimmert in der übertriebenen Textur mancher Panels der unangenehme Einfluß der amerikanischen Mainstreamcomics der Neunzigerjahre durch.

Wenn man ihn läßt, ist er aber wohl vor allem ein Meister ruhiger Szenen, die er mit weicher Schraffur, sanft und unaufgeregt darstellt. Hickman läßt ihn leider, als er sollte. Andererseits sind die „Avengers“ Marvels momentanes Flaggschiff, und der Verlag wird wohl kein Interesse an einem Offbeat-Comic mit Naturbetrachtungen haben.

Nehmen wir es also, wie es ist, obwohl „Avengers“ genau wie „Uncanny Avengers“ letztlich eine Mordsprügelei mit zu starker Fixierung auf Fanboys ist, weil Jerome Opéna mehr als einen Blick wert ist. Auf den sollte man ein Auge haben.

48 S.; € 4,95

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Diverse
A+X

Die letzte der drei aktuellen „Avengers“-Reihen, und von allen die interessanteste. Gar nicht immer des Inhaltes wegen… nein, der Reihe nach.

Kurzgeschichten verkaufen sich nicht. Das ist nicht nur im Literaturbetrieb eine feste, traurige Erkenntnis, sondern auch bei Comics. Die Idee, eine Serie ausschließlich aus Comic-Kurzgeschichten im Mainstream zu etablieren, ist also absolut gegen den Markt gerichtet. Und kann im aktuellen Markt wohl nur bei den Avengers (und bei Batman) funktionieren.

Mut, wenn man ihn einmal hat, reicht meist viel weiter als man denkt. Auch bei „A+X“ reichte er über die Idee, Avengers- und X-Men-Kurzgeschichten zu erzählen, offenbar hinaus. „A+X“ ist eine Spielwiese, und toben darf jeder wohl wie er will.

Gegen ein Line-Up wie Peter David und Jason Aaron, Chris Bachallo, Ron Garney, Pasqual Ferry oder Dale Keown ist sowieso nichts zu sagen. Dass diese Leute hier ein größeres Maß kreativer Freiheit zu haben scheinen als bei irgendeiner normalen Marvel-Serie, ist das eigentlich spannende.

Nicht dass jeder es nutzt. Manche, wie Jeph Loeb, stricken einfach nur uninteressante Wurmfortsätze zu Geschichten, die sie anderswo erzählt haben. Andere, wie Kaare Andrews, bauen dagegen bekloppte Mini-Phantasmagorien bis an die Grenze der Parodie.

Das macht dann Spaß. In der Summe ist „A+X“ ziemlich unausgegoren, darum ist sie nur die interessanteste, nicht die beste der „Avengers“-Serien. In der Summe ist sie wohl aber auch die kreativste und ungewöhnlichste, trotz diverser Aussetzer.

132 S.; € 14,95

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  • 2 Responses to “Marvel Now! – Der Neustart der Marvel-Superhelden (01)”

    1. Oliver L. says:

      Übrigens: Wenn ich es jetzt halbwegs recht in Erinnerung habe, hat Opena bisher nur das erste Heft von „Avengers“ (deutsche Zählung) gezeichnet.

    2. Stefan says:

      Schade. Aber irgendwie gut vorstellbar.