„Asterix“ kam nicht aus dem Nichts – seine Schöpfer, Rene Goscinny und Albert Uderzo, hatten zum Zeitpunkt seiner Schöpfung schon zehn Jahre Comics zusammen gemacht. Vieles davon gut, nichts so gut wie der kleine Gallier. Wo die Sollbruchstelle liegt und vor allem wieso, belegt eine Gesamtausgabe.

Dass der Genius von „Asterix“ darin bestand, den frankobelgischen Comichelden zu dekonstruieren, noch ehe dieser richtig entstehen konnte – ein kleines Männlein statt eines großen Recken ins Zentrum der Erzählung zu stellen – ist eine Binsenweisheit. „Asterix“ wagte den Sprung von der Heldenerzählung zu einer Geschichte über das einfache Volk (literarisch: von den Ideen eines Alexandre Dumas zu denen eines Victor Hugo).

Auch dass dieser Geniestreich vorrangig auf den Autor Goscinny zurückzuführen ist, der ebenso in seinen anderen Serien („Der kleine Nick“, „Isnogud“) bevorzugt kleine und Antihelden inszenierte, ist altbekannt. Uderzo wollte immer einen großen Helden, auch in „Asterix“.

„Umpah-Pah“ steht als solches exakt an der Bruchstelle, die einen hervorragenden Funny vom Geniestreich trennt. Die fünf Episoden der Serie entstanden kurz vor bzw. zeitweise parallel zu „Asterix“. Sie weisen ebenso viele Parallelen wie Unterschiede zum größeren, bekannteren Bruder auf.

Einerseits ist alles schon da: das dörfliche Leben, in diesem Fall dargestellt durch ein Indianerlager. Die Besatzungsmacht, hier dargestellt durch diverse sich in Amerika bekriegende europäische Armeen. Die skurillen Figuren. Die großen Reisen und kleinen Abenteuer. Sogar die große finale Prügelei.

Aber das ist alles Hintergrundrauschen. Im Zentrum der Geschichte stehen der große unbesiegbare Indianer Umpah-Pah und dessen zwar etwas tumberer, aber auch recht wackerer Kompagnon, der französische Leutnant von Täne. An diesen beiden Figuren steht und fällt die kurze Serie. Sie fällt öfter.

Da ist alles noch sehr auf Abenteuer ausgerichtet. Das satirische Element, obwohl vorhanden, trägt nicht, sondern trägt nur bei. Die beiden Hauptfiguren bleiben dem Leser fremd, obwohl sie sympathisch sind. Weil sie zu stark, zu unbesiegbar, zu eindeutig Held sind.

Dabei ist „Umpah-Pah“ kein schlechter Comic. Im Gegenteil, es ist ein außergewöhnlich guter Funny. Der Slapstick-Humor ist hinreissend. Uderzo, der zur selben Zeit bei „Asterix“ noch ein wenig schwächelte, ist hier grafisch voll ausgereift, elegant, dynamisch, detailverliebt und naturnah. Vielleicht, weil er sich bei den Indianergeschichten mit einem klar definierten simplen Helden einfach noch wohler fühlte.

Man kann es darum auch anders sagen: „Umpah-Pah“ ist, wie „Asterix“ ausgesehen hätte, wenn es nach Uderzo gegangen wäre. Dass der Plot der Episoden sich zum Schluss immer mehr dem Grundmuster der „Asterix“-Abenteuer annäherte, nur um dann – aus genau diesem Grund? – unvermittelt abzubrechen, ist ein weiteres Puzzlestück in dieser faszinierenden Geschichte von einem Comic, der ist, wie ein anderer Comic hätte sein können. Und darum zu existieren aufhörte.

„Umpah-Pah“ ist Fragment geblieben. Das sollte nicht abhalten, ihn zu lesen. Dabei braucht man die Neuausgabe nicht zwingend. Fast alles findet sich bereits in früheren Editionen. Fast alles? Ein reizender One-Pager mit der Ankündigung neuer Episoden hat hier erstmal den Weg in die Buchausgabe gefunden, ebenso diverse Originalcover zum Magazinabdruck der Serie, kleinere Skizzen, Entwürfe und Abbildungen zum Merchandise.

Das ist wenig Neues. Aber es ist schön zu haben. „Umpah-Pah“ ist ein Kleinod des französischen Comics, der durch seinen großen Bruder „Asterix“ an Faszination gewinnt, grade weil er sich mit ihm nicht messen kann. Seltsam, aber so steht es geschrieben.

Egmont, 192 S.; € 25,00

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