In diesem Monat wird Ralf König in Erlangen den Max-&-Moritz-Preis für sein Lebenswerk erhalten. Einerseits berechtigt, andererseits zu früh, ist es Anlaß, nein, Gelegenheit, sich ein wenig mit dem Zeichner und seinem Werk zu beschäftigen. Zum Finale ein zwar schon zehn Jahre altes, bis dato aber unveröffentlichtes Interview in zwei Teilen.

[Disclaimer: Dieses Interview entstand 2004 für SPIEGEL-Online, wo es in stark gekürzter Fassung erschien. In der hier vorliegenden, dreimal so umfangreichen Langfassung, ist es bis dato unveröffentlicht. Es ist in vieler Hinsicht gnadenlos veraltet und sollte eher als Momentaufnahme einer vergangenen Zeit gelesen werden, nicht als Bestandsaufnahme. SP]

SO: Wurde denn von dir verlang „Mach uns mal ‚ne schöne tuckige Geschichte!“?

König: Nö. Bei „Wie die Karnickel“ habe ich denen vorher gesagt, was ich nicht will. Die waren zwar etwas ratlos, aber im Endeffekt hat auch keiner mehr danach gefragt. Das ist eben die Situation: als wenn Schwule zu zwei Dritteln oder drei Viertel tuntig wären. Das ist ja überhaupt nicht wahr! Das ist doch ein völliges Zerrbild. Und deswegen ärgert mich auch immer wieder, dass dieses Zerrbild ins Fernsehen und ins Kino und sonst wohin gebracht wird, einfach nur um zu zeigen „Ja, so sind die Schwulen. Das die allermeisten Schwulen völlig normale Männer sind, das wird einfach nicht zur Kenntnis genommen. Das finde ich langsam Zeit. Wir sind nicht mehr in den 70ern.

SO: Das Klischee der Kampflesbe ist ja genau so zementiert.

König: Das mag sein, aber da musst du jetzt ‚ne Lesbe fragen. Auch die Kampflesbe gibt es, genau so wie die schwule Tunte. Ich will das ja gar nicht verneinen. Ich ärger mich nur über die Gewichtung, die das in den Medien hat. Ich ärger mich über Bully und über diese Iglo-Werbung. Oder „Bewegte Männer“ – ganz schlimm. Da meinen auch noch Leute, dass ich damit zu tun hätte. Wenn ich das einschalte und sehe die da rumschwuppen mit ihren doofen Sprüchen, da krieg ich das Kotzen.

SO: Es werden von dir eher die burlesken Stoffe verfilmt. Sind deine anderen Werke nicht verfilmbar?

König: Ich weiß nicht, wie die Filmemacher ticken. Ich bin da auch ein bisschen drüber. Mit dem Produkt habe ich am Ende nie was zu tun. Auch mit „Lysistrata“ nicht. Ich mache meine Comics. Dafür halte ich gerne den Kopf hin, wenn’s schief geht. Aber wenn einer einen Film macht… ich zappe und irgendwo läuft „Der Bewegte Mann“. Das ist wie ein Fremdkörper für mich. Ich kann mir auch vorstellen, dass ein Buch wie „Super Paradise“ vom Thema her viel zu speziell ist. Tragischen Stoffen werden halt als schwierig angesehen. Und dann ist das auch noch schwul.

SO: Wie stark berühren dich die Verfilmungen deiner Werke?

König: Bis jetzt tat es meistens weh. Letztlich muss ja der Regisseur den Kopf dafür hinhalten. Andererseits habe ich natürlich eine Vision davon, wie alles aussehen könnte. Und wenn das immer so zielstrebig daneben geht, dann hat man irgendwann auch den Frust, klar.

SO: Du hast ja schon das letzte Wort, wenn es darum geht, die Rechte zu verkaufen, oder?

König: Da hat man aber nicht viel von. Meistens sitzt ein Regisseur vor dir, der strahlt dich voller Unternehmungslust an, und dem glaub’ ich dann, dass er gute Ideen hat. Meistens liegt es auch nicht am Regisseur, dass was schief geht. Das liegt an all den Nasen, die ihm mit reinreden. Geldgeber, Produzenten, sogar die Verleiher bestimmen mit, wie ein Film aussehen muss. Was soll denn dabei übrig bleiben?

SO: Die UCI hat sich geweigert, „Lysistrata“ vorab zu bewerben.

König: Denen ging es um diesen Marmorpimmel auf dem Plakat. Das kann ich echt nicht ernst nehmen. Da mag ich nicht mal einen Skandal draus machen. Es ist absolut jenseitig, dieses Plakat als „sozialethisch desorientierend“ zu bezeichnen. Dann müsste jeder Spaziergang auf den Trümmern von Dellos, wo die ganzen antiken Steinpimmel sind, die Kiddies desorientieren.

SO: In der Formulierung ist es fast identisch mit dem Indizierungsantrag für „Bullenklöten“ 1994.

König: Das kommt ja auch immer aus der gleichen Ecke. Irgendwer nimmt immer Anstoß. Aber ich finde das so unwichtig. Solange das nicht wie bei „Bullenklöten“ dazu führt, dass Polizisten in die Läden stürmen und Bücher beschlagnahmen. Das war echt ein Skandal. Aber UCI ist nur eine Kinokette, und irgendjemand da findet das Plakat doof. Gut, dann soll er es nicht hinhängen. Diese Leute diskreditieren sich eher selbst.

SO: Du wirst in deinen Comics auch immer recht gallig, wenn es um die Schwulenszene geht. Hast du ein gespaltenes Verhältnis dazu?

König: Das kann man so sagen! Aber das ist ja auch erlaubt. Ich wehre mich sehr dagegen, alles toll zu finden, nur weil es schwul ist. Dieses „Wir sind alle eine Famile“-Getue finde ich bescheuert. Vieles in der Schwulenszene langweilt mich.Ich bin jetzt Mitte 40 und hab’ schon mit 19 in der Szene rum getanzt. Da sind so viele Sachen, die sich einfach nicht verändern. Und alles wird so wichtig genommen wird und in den Himmel gehoben, nur weil’s schwul ist. Auch diese ganzen Events, wenn alle gleich aussehen und sich gegenseitig geil finden. Da steh ich nur am Rande und denke mir, es gibt doch nichts langweiligeres, als wenn alle Leute gleich aussehen! Ich reagier dann grad auf den, der in der Ecke steht, Turnschuhe und ein bisschen längere Haare hat. Den find ich dann geil, aber nicht diese ganzen tätowierten Muskelklöpse und Glatzen…

SO: Du hast sogar einen schwulenfeindlichen Hund kreiert …

König: Genau! Letztlich ist das ein kleiner unangenehmer heterosexueller Kläffer. Aber auch dem leg ich hin und wieder mal eine Sprechblase in den Mund, die sehr aus meinem Herzen kommt. (lacht) Das ist auch ein bisschen sinniges Geschimpfe. Ich finde Humor, der sich zu sehr anpasst, einfach langweilig.

SO: Wie stark sind die autobiographischen Elemente in deinen Comics?

König: Sicher ein Stück weit. Aber nicht eins zu eins. Jeder Autor, der irgendwas nicht allzu abwegiges schreibt, hat auch autobiographisches in seinen Sachen. Du kannst bei mir etwa Konrad nehmen, oder du kannst Paul nehmen. Und ich kann sagen, in beiden Figuren ist sicher ganz viel von mir drin. Aber ich bin deswegen nicht Paul und ich bin auch nicht Konrad.

SO: Es gab in den letzten Jahren verstärkt autobiographische Comics aus Deutschland. Liest du so was?

König: Ich habe Mawil gelesen. Aber letztlich interessiere ich mich nicht so sehr für Comics. Irgendwann verlor ich das Interesse, als es überall tolle Zeichner gab, aber ganz wenig tolle Geschichten. Ich war auch als Kind nicht so der Comicleser. Das war für mich eine schöne Art, Geschichten zu erzählen, mehr nicht. Manchmal bin ich aber erstaunt, was es inzwischen alles gibt. „Blankets“ etwa fand ich sehr schön. Ich glaube auch, dass es irgendwann mehr dicke Comicbücher gibt, in denen man mal eben drei Stunden versinken kann. Dieses Albenformat hat sich glaub’ ich ein bisschen überholt.

SO: Du warst in Deutschland einer der ersten, der sich an längere Formate getraut hat.

König: Wobei ich das damals gar nicht wahrgenommen habe. Ich hatte mich bei Rowohlt mit meinen Kurzgeschichten beworben, und die baten mich, mal was Langes zu machen. Das war dann „Der bewegte Mann“. Manche sagen dazu „Comicromane“. Das lass ich mir gern gefallen. Man braucht eine ganz andere Puste dafür. Da muss man über mehrere Monate den Begeisterungspegel hochhalten können.

SO: Was reizt dich als Künstler an dem Medium Comic?

König: Das man schnell erzählen kann. Noch schneller kann ich nur erzählen, wenn ich ein Drehbuch schreibe. Dann sitze ich am Computer und hack einfach die Dialoge rein. Ich mag es einfach, Geschichten zu erzählen, ohne so viel beschreiben zu müssen. Ich beschreibe mit der Zeichnung. Und das fällt mir im lauf der Jahre wirklich ziemlich leicht. Außer bei Autos und Fahrrädern.

SO: Du veröffentlichst seit 25 Jahren Comics. Fühlst du dich manchmal als Comicveteran?

König: Das macht mich ganz fertig, wenn du so was fragst. Du erwischst mich grad in der Mid-Life-Krise. Ich hab mir das aber auch nie so bewusst gemacht. Mit dem Walter Moers zusammen bin ich damals gestartet. Walter hat inzwischen das Pferd gewechselt und macht seine Fantasy-Romane. Auch bei mir, nehme ich an, wird in nächster Zeit so ein Dreh kommen. Ich werde kein Buch schreiben. Aber die Inhalte können sich ändern. Ich habe wenig Lust, in fünfzehn Jahren immer noch Geschichten zu machen über kleine knollennasige Männchen, die ganz viel rumficken. Das ist ja in meinem Leben auch nicht so. Bedauerlicherweise. Scheiße! (lacht) Ich will nicht!

SO: In welche Richtung könnte diese Entwicklung gehen?

König: Ich hab ja vorhin „Blankets“ erwähnt. Erst konnte ich so gar nichts damit anfangen, weil es so wahnsinnig ruhig ist. Es wäre auch nicht mein Ding, so viel zu zeichnen. Die ganzen Landschaften und dann vor allem die Schneeflocken über vier Seiten. Aber wenn ich mal rate, wo es hingeht, dann vielleicht eher in die Richtung, was ich mit „Super-Paradise“ gemacht hab. Sehr viel mehr auch mal das Tragische im leben zu benennen. Nicht immer nur auf den Witz aus zu sein. Das liegt auch mehr in meiner Natur. Ich bin ja überhaupt nicht der Witzbold. Ich bin Westfahle. Dieser rheinländische Humor in Köln, der ist mir auch eher fremd. Wenn ich scheiße drauf bin, und das bin ich öfter mal, grade im Winter, dann finde ich auch für diese Stimmung wenig Ventil. Das ist schlecht. Da denke ich werde ich mir was einfallen lassen, dass ich auch so ein bisschen Melancholie in die Geschichten rein bringe.

SO: „Ralf Königs Schwarze Gedanken“?

König: Och, die waren ja eher makaber. Das habe ich nicht so drauf. Melancholie ist eher das richtige Wort. Manchmal geht’s mir so auf den Sack, dass ich versuchen muss, in jeder Sprechblase am besten drei Lacher zu haben. Die Geister, die ich rief, dieser Pointenstress.

SO: Denkst du, die Leser erwarten diese Pointenhaftigkeit von dir?

König: Ich weiß nicht, was die Leser erwarten. Vielleicht ist das mein eigenes Ding, dass ich das von mir selber erwarte. Weil ich das auch so lange durchgezogen hab. Und auch, weil die Zeichnungen das verlangen. Die Zeichnungen an sich sind ja sehr komisch, auch wenn da nur zwei Leute auf dem Sofa sitzen und sich unterhalten, wirkt das schon komisch. Ich weiß nicht, wie das wirkt, wenn ich da über ‚ne lange Strecke ein ernstes Gespräch bringen würde.

SO: Du bringst sehr viel Gefühl in deine Figuren rein.

König: Ich bin Woody-Allen-Fan. Ich gehe meistens in Filme, die ein wenig tragikomisch sind. Das berührt mich auch. Deswegen berührt mich Bully zum Beispiel nicht. Wo alles nur Klamauk ist. Aber wenn da ein Charakter ist, der traurig sein kann, dann finde ich das interessant. Und so versuche ich das auch mit meinen Figuren zu machen. Um nicht so eindimensional zu sein. Daran krankt ja auch oft der Comic. Dass das alles oft so witzig ist. „Super-Paradise“ war ja so ein Beispiel. Ich wollte eigentlich zwei Bücher machen. Ein Buch über Paul im Urlaub, Paul und Sex und so, was man halt so kennt. Gleichzeitig hatte ich auf dem Tisch, durch dieses traumatische Erlebnis, dass mir ein Freund weggestorben ist, irgendwas zu dem Thema zu machen. AIDS und Sterben und so was. Das eine klappte nicht, das andere auch nicht. Und irgendwann kriegte ich dann mit, das muss zusammen gehen. Das muss ein Buch sein. Ich hab schon den Anspruch, dass das eine Wirklichkeit abbilden soll, was ich da mache. Dazu gehört auch das Tragische.

Ralf König:

  • 01: Der frühe König
  • 02: Raumstation Sehnsucht
  • 03: Das Interview, Teil 1
  • 04: Das Interview, Teil 2
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