Perry Rhodans Großvater
Die erste Space Opera der Welt erschien in Berlin. Heute ist sie praktisch vergessen.

„Laßt die Himmelsräume sein, auf den Sternen und Planeten ist nichts zu holen. Da ist alles tot und starr, so habe ich es wenigstens in der Schule gelernt.“
„Sie irren sich“, erwiderte Kapitän Mors kalt.

(aus „Der Luftpirat“, Heft 42)

Kapitän Mors - Der LuftpiratUnd natürlich hat dieser Kapitän Mors recht. Mit seinem Weltraumschiff „Meteor“ durchkreuzt er das Sonnensystem und findet dabei nicht nur totes Gestein, sondern vor allem jede Menge Aliens, auf dem Mars, der Venus und im Asteroidengürtel. Das war 1908, vielleicht auch eher, so genau weiß das heute keiner mehr, in der Groschenheft-Serie „Der Luftpirat“, erschienen in einer namenlosen Berliner Kleinverlag.

Es war die Geburtsstunde der Space-Opera: aufsehenerregende Abenteuer auf und zwischen fremden Planeten, mit einem Titelhelden, der sich mit seiner „Elektropistole“ – einem fernen literarischen Vorläufer von Blaster und Lichtschwert – beherzt allem möglichen außerirdischen Kroppzeug entgegenstellt.

So etwas hatte das Publikum noch nicht gelesen, auf der ganzen Welt nicht.

Die Serie war ein Erfolg. 165 Hefte erschienen vor dem Ersten Weltkrieg, anonym verfasst, in denen sich der obskure Mann mit der Maske und dem Ulbricht-Bärtchen mit seinem Wunderfahrzeug auf die Seite der Unterdrückten und Entehrten stellt (gleich im ersten Heft stürzt er sich in den Matrosenaufstand von Odessa), mehr noch aber, in denen es ihn in den Weltraum hinaus treibt. So dass er den hingerissenen deutschen Lesern mitteilen konnte: das All ist bevölkert, ziemlich dicht sogar.

Heute existieren nur noch wenige Exemplare des einstigen Bestsellers. Ein Auswahlband mit dem Nachdruck einiger Abenteuer war bis vor kurzem die einzige Möglichkeit, überhaupt etwas aus erster Hand über diesen Großvater von Perry Rhodan und Luke Skywalker zu erfahren.

Mittlerweile druckt die Science-Fiction-Autorin Marianne Ehrig, vermutlich als Einzige im Besitz einer nahezu vollständigen Sammlung, die Serie nach. Als Book on Demand erscheinen monatlich fünf neue Hefte. Nicht mehr für einen Groschen wie 1908, sondern für sechs Euro pro Heft. Das Rätsel des vergessenen Autors, der als Erfinder eines ganzen Genres gelten kann, kann auch sie nicht lösen. Aber zeigen, wie die Space Opera in Berlin ihren Anfang nahm. (Stefan Pannor)

Heinz J. Galle (Hrsg.): Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff (Auswahlband). 276 S. Hardcover, € 30,00, ISBN 978-3940679284

Der Luftpirat – originalgetreuer Nachdruck der Heftserie, 32 Seiten in Fraktur, 6,00 € pro Heft, zu bestellen bei Ralph Ehrig, Tempelhofer Damm 220, 12099 Berlin, reaxolotl@yahoo.de. Mehr Informationen unter www.villa-galactica.de.

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