Archive for Mai 2nd, 2010

Ungekürzte Fassung eines Artikels für SPIEGEL-Online. Die veröffentlichte Fassung steht hier.

Jüdische Künstler haben vor allem den amerikanischen Comic entscheidend geprägt. Auf sie geht die Erfindung des Superhelden-Genres zurück, ebenso wie die moderne Graphic Novel. Eine Ausstellung in Berlin beschäftigt sich mit dem maßgeblichen Einfluß

Jüdische Comics
David oder Goliath sein

von Stefan Pannor

Wie viel Wut in einem harmlosen Bild stecken kann. Finsteren Blickes hebt Superman das Auto hoch und schleudert es gegen einen Felsen. Der Himmel wetterleuchtet gelb und dunkelrot, Menschen rennen schreiend davon.

Action Comics #1Was haben sich die Künstler nur dabei gedacht? Das Bild, es ist das Cover von „Action Comics“ #1, dem allerersten Auftritt von Superman, ist bis heute eines der energiegeladensten, eindringlichsten Bilder, die im Comic geschaffen wurden, verkleidet im Gewand trivialer Kinderunterhaltung.

Eine dunkle Vorahnung des Kommenden liegt über dem Bild. Im Sommer 1938, als dieser Comic erschien, waren Repressalien gegen Juden im Deutschen Reich bereits an der Tagesordnung. Möglicherweise bewußt, wahrscheinlicher aber unbewußt verarbeiteten die Juden Jerry Siegel und Joe Shuster, die Erfinder von Superman, mit der erschreckend leeren, von apokalyptischen Symbolfarben getragenen Szenerie dieses Covers mit dem wütenden, golemhaften entfesselten Zerstörer in der Mitte die Nachrichten aus Europa.

Die Geschichte des amerikanischen Comic ist wie keine andere von jüdischem Einfluss geprägt. Der Entwicklung, aber auch der Frage, was das eigentlich für den Comic an sich bedeutet, geht die aktuelle Ausstellung „Helden, Freaks & Superrabbis“ im Jüdischen Museum Berlin nach. (mehr …)