Ralf König
Schillerlöckchen

Wenn einer bald dreissig Jahre im Geschäft ist, und dabei noch erfolgreich, ist oft genug fast alles über ihn gesagt. Was wäre also noch über diese Sammlung von Strips und verstreuten Werken zu sagen, kompiliert wie üblich zum größten Teil aus seinen Beiträgen für das Schwulenmagazin Männer aktuell, was sich nicht z.B. hier bereits nachlesen ließe? Mit deutlich mehr Sex (und Sexappeal) setzt Ralf König seine Alltagsgeschichtsschreibung fort, die schon lange nicht mehr nur eine der homosexuellen Kultur ist, sondern in der Tat eine Chronik bürgerlicher Befindlichkeiten, zwischen Sex, Zukunftsangst und DVD-Abend. Drastischer, als ihm die FAZ das wohl gestatten würde, mithin ehrlicher und ein wenig undergroundiger – Crumb läßt grüßen, wie König überhaupt nicht nur in seiner Themenwahl, sondern auch seiner kulturellen Bedeutung den Status eines deutschen Robert Crumb einzunehmen beginnt.

Nennenswert: das Album enthält neben seinem vollständigen Beitrag zur Wilhelm-Busch-Hommage auch noch zwei weitere Busch-Verbeugungen, die ihrerzeit für das Zeit-Magazin entstanden. In der Häufung (16 Seiten am Stück) ist das Gereime dann aber doch ein wenig ermüdend. Ansonsten groß wie immer. (MännerSchwarm, 64 Seiten, 12,00 €)

Loisel & Tripp
Das Nest: Bekenntnisse

Der Traum vom hohen Norden als Utopia des einfachen Lebens wurde bereits in den Achtzigerjahren in der TV-Serie Ausgerechnet Alaska durchdekliniert. Als der Tonfall der Serie vom intellektuell-märchenhaften ins Gemeine kippte, war alles gesagt und die Serie wurde danach ziemlich bald gecancelt.

Auch Loisel und Tripp träumen ihren Traum vom hohen Norden. Ihr Notre-Dame am See, irgendwo in der kanadischen Provinz gelegen und in der Zeit zwischen den Weltkriegen, ist ihr Dörfchen-mein-Dörfchen-Utopia, eine weitere jener diversen Kleinstädte, in denen sich der Überschaubarkeit der Handlungsorte und Akteure wegen soziale Prozeße viel leichter darstellen lassen als in Großstadt-Erzählungen.

Davon abgesehen ist es auch noch romantisch. Weshalb diese Geschichte in den ersten drei Bänden vom Tod erzählen konnte, von der Einsamkeit, der Angst und von Homosexualität, ohne je ins Weinerliche oder auch nur blank Dramatische umzukippen. Das soziale Netz der Gemeinde war klein, aber straff gespannt. Scheinbar mühelos verknüpften Tripp und Loisel die diversen Geschichten und Geschichten der Serie zu einem äußerst stark tragenden Ganzen.

Was also ist mit diesem vierten Band schief gelaufen? Eilig hingeschmiert wirkt die fortlaufende Erzählung, wie ein schlechter Herrenwitz der Versuch, Serges Homosexualität zu verschleiern, und ansonsten passiert einfach nicht viel. Irgendwo um diesen Band herum muß in Frankreich die Entscheidung gefallen sein, aus den ursprünglich geplanten fünf Bänden der Serie sieben zu machen. Weil Loisel gar keine schlechten Comics machen kann, ist diese gestreckte und ausgedünnte Erzählung immer noch ziemlich gut. Als Work-in-progreß bleibt freilich abzuwarten, ob die Serie sich in den ausstehenden drei (oder vielleicht auch mehr) Bänden wieder fängt, oder ob der Traum viel zu schnell vorbei war. (Carlsen Comics, 72 S.; € 18,00)

Mehr zum Nest hier.

Maurice Tillieux
Jeff Jordan Gesamtausgabe, 2. Band

Die Entdeckung einer Entdeckung: etwas zu finden, das man nicht nur noch nicht kannte, sondern von dem man auch froh ist, es kennen gelernt zu haben. Jeff Jordan, eine Serie, bei der mir mit jedem Band klarer wird, daß sie in Frankreich einfach 20 Jahre zu früh und vielleicht auch beim falschen Verlag erschienen ist. Denn beim Publikum kamen die Geschichten kaum an: waren die ersten vier Alben noch Experimente in Form und Zeitdarstellung, gerät Tillieux danach durch den ausbleibenden Erfolg zusehends unter kommerziellen Erwartungsdruck und die Fuchtel der Redaktion (und damit in die Fänge der Konvention). Vermutlich deshalb sind die ersten zwei der insgesamt vier in diesem Buch nachgedruckten Abenteuer schwach und im Vergleich zu vorher rückständige, die eine ein konventionelles Abenteuergarn, die andere ein uninspirierter Krimi (und in einer Sequenz klaut Tillieux dann auch noch bei sich selbst).

Erst mit dem dritten (bzw. insgesamt siebten) Abenteuer findet Tillieux wieder halbwegs zu sich. Zwar zerfällt die Geschichte um die „roten Mönche“ genau in der Mitte in eigentlich zwei Teile und ist insgesamt äußerst unglaubwürdig konstruiert. Doch es finden sich hier wenigstens in Ansätzen wieder jene reifen Erzählmuster, wie es sie in den französischen Comicmagazinen jener Zeit sonst nicht gab: Spiele mit Erzählzeit und Perspektive, Verzicht auf unnützen Dialog oder all zu plumpe Happy-Ends. Dennoch, erst mit der allerletzten Geschichte, einen verblüffend brutalen und radikalen Garn um Mordanschläge und Luftaufnahmen, findet Tillieux wieder zu sich – statt von fiktiven südamerikanischen Bananenrepubliken erzählt Tillieux hier von Pariser Vororten und Fernfahrerkneipen und Seitenstraßen. Es schwingt ein Hauch Simenon mit in dieser realistischen Darstellung, und das ist sicher nicht das Schlechteste, was man über einen eigentlich für Kinder gemachten Comic aus jener Zeit sagen kann. (Ehapa Comic Collection, 240 S.; € 29,95)

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