Zwei Westerncomics: Warren Tufts ritterlicher „Lance“ findet ein definitives Ende in den texanischen Weiten. Und Jodorowskys düsterer „Bouncer“ kehrt zurück in Arizona.

Warren Tufts
Lance Gesamtausgabe Bd. 5
(Bocola)

Nicht melancholisch werden: der fünfte Band der Westernstrip-Gesamtausgabe markiert nicht nur das Ende der Serie, sondern steht auch für einen Umbruch im amerikanischen Comicgeschäft.

Als Tufts die Serie fünf Jahre zuvor begann, war sie schon ein Dinosaurier. Nur bekam das damals nicht jeder mit. Die großformatigen Sonntagsseiten, die ein halbes Jahrhundert lang das Bild vom Comic stärker geprägt hatten als alle bisher erschienenen Comichefte, waren auf dem Rückzug. Nicht nur die Comicseiten, auch die Geschichten wurden kleiner. In Fortsetzung publizierte lange Abenteuergeschichten nahmen ab, Funnystrips mit täglicher Pointe zu.

In diesem Umfeld war die Idee, einen als Sonntagsseite in epischer Fortsetzung erzählten Strip zu starten, zu seinem Start 1955 bereits anachronistisch. 1960 bei seinem Ende muss „Lance“ ein Fremdkörper gewesen sein.

Man kann spekulieren, dass Tufts das Ende des Strips geahnt hat. Obwohl das eigentliche Finale ziemlich plötzlich kommt – die laufende Geschichte wird mehr schlecht als recht abgewürgt – häufen sich im gesamten letzten Jahr morbide Elemente. Es gibt ziemlich viel Schatten, Nebel, plötzlicher Tod, sogar Geister, die im bis dato sehr naturalistischen Westernsetting fehl am Platz sind.

Womöglich war Tufts aber nur auf der Suche nach einem zukunftstauglichen Konzept. Mehrfach ändern sich zum Schluß hin das Layout der Titelseiten und die typische Anordnung der Panels. Unentschlossen schwankt die Erzählung zwischen ausschweifender historischer Exegese und wilden Actionsequenzen. Manchmal für Wochen verschwindet der Titelheld Lance ganz aus dem Strip.

Man mag das unausgegoren nennen (gut zu lesen ist es wohl tatsächlich nicht). Vor allem aber steht dieses so wilde wie wirre letzte Jahr des Comicstrips für die Ratlosigkeit angesichts des Wandels der Comiclandschaft, in der mit den Kriegs- und Horrorcomics von EC die Erwachsenencomics plötzlich im billigen Comicheft stattfanden, während die bis dato sehr erwachsenen Comicstrips in den Tageszeitungen an Größe, Substanz und eben auch Bedeutung verloren.

Nur ein Jahr nach Ende des Strips beginnt Stan Lee dann seine Marvel-Revolution und trimmt den Superheldencomic auf Studententauglich. Spätestens da war das große Abenteuer, der Eskapismus, für den Strips wie „Lance“ standen, in die Comichefte abgewandert. Und „Lance“ für immer in den Sonnenuntergang geritten.

Bocola, 80 S.; € 17,90

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Boucq/ Jodorowsky
Bouncer: And Back
(Egmont)

Der Western ist noch vor dem Krimi das moralischste aller Genres, bei dem es wie nirgends sonst um die Richtigstellung geschenenen Unrechts geht, idealerweise durchgeführt von sehr einsamen Streitern. Und Jodorowsky, dieser Großmeister im Zusammentragen aller nur denkbaren Unmoral, in dessen Comics es von Inzest, Elternmord, transsexuellen Massenmördern und allerlei anderen Bürgerschrecks nur so wimmelt, eigentlich ein Moralist. Am Ende siegt fast immer das gemeinhin Gute gegen all den Schrecken.

Wohl darum ist Jodorowsky in seinen Westerncomics noch am Erträglichsten. Hier darf er Schwarz-weiss-Zeichnen, bis die Saloontheke kracht, was ihm, der wahrlich kein Mann für Zwischentöne ist, entgegenkommt.

Auftritt Bouncer, der einarmige Kopfgeldjäger. Der muss diesmal eine Geisel aus einem Exgefängnis herausholen, das längst zum Sündenpfuhl verkommen ist (wir erkennen das an den diversen Sex- und Vergewaltigungsszenen, die Jodorowsky gleich mal einbaut).

Es ist das Glück, dass diese Serie von Francois Boucq gezeichnet wird, sonst wäre sie wohl unerträglich. Boucq kommt eigentlich von der Satire. Das merkt man ihm in „Bouncer“ freilich nirgends an. Der elegant-elegische Realismus steht in scharfem Kontrast zu Jodorowskys permanenter Überzeichnung des Geschehens, bei der es auf fast jeder Seite einen Mord, eine Verstümmelung, eine Vergewaltigung gibt. Die ruhigen Zeichnungen bremsen das hastige Tempo der Geschichte aus, die sich ansonsten permanent selbst überholen würde auf der Suche nach weiteren Schrecken.

Das nicht zu mögen ist leicht. Die Provokationsmaschinerie Jodorowskys ist zu leicht durchschaubar: der böse Gegenspieler ist natürlich nicht nur darum abgrundtief böse, weil er ein Muttersöhnchen ist. Sondern auch, weil er, ach je, ein Transsexueller ist. Das soll Tabus brechen, vielleicht auch provozieren, ist in seiner Gewolltheit freilich nur müde.

Nicht von Jodorowsky provoziert zu werden, ist die große Kunst bei der Lektüre von „Bouncer“. Hinter all den gewollten Unappetitlichkeiten bleibt dann eine Hommage an die Westernfilme vor allem der Fünfziger- bis Siebzigerjahre mit ihren dreckigen einsamen Reitern, vor allem aber mit ihren oft klaren Gut-Böse-Schemata, die sehr klar und geradlinig erzählt ist. Ein schmutziger kleiner, wenn auch gnadenlos überfrachteter Western.

Egmont, 70 S.; €15,00

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