In Brasilien ist er ein Megastar, in Deutschland unbekannt: Mauricio de Sousa, Schöpfer eines der größten Comicuniversen dieses Planeten. Zehntausende Titel tragen seinen Namen. In Deutschland ist prraktisch nichts davon erschienen. Ein Buch macht jetzt den Anfang.

Jetzt können wir ja wieder über Fußball reden, ohne dass man Angst haben muß, in unangenehme Fangespräche verwickelt zu werden. Jetzt können wir über Comics über Fußball reden. „Pelezinho“ ist so ein Comic, über den man mal dringend reden müßte.

Nicht, weil er so gut ist. Nein, er ist auch nicht schlecht. Er ist zunächst einmal merkwürdig fremd.

„Pelezinho“ stammt aus der Comicschmiede von Mauricio des Sousa. Es ist womöglich die erste deutschsprachige Veröffentlichung eines Comics aus diesem Umfeld überhaupt, und selbst wenn nicht, ist sie doch eine der ganz ganz wenigen. Ich kenne zumindest keine anderen.

Was ein mittleres Wunder ist. De Sousa gehört in Brasilien, in Südamerika allgemein, zu den kulturellen Giganten. Er ist nicht nur ein berühmter Comiczeichner und -kreateur. Er hat im vergangenen halben Jahrhundert ein Imperium aus Comics, Filmen, Fernsehserien und Merchandise geschaffen, das in Umfang und kommerziellem Erfolg dem von Disney gleichkommt und Generationen geprägt hat. Er hat ein riesiges Studio, das die Episoden wie am Fließband produziert.

Ruhm kann so lokal sein: während er in Brasilien zu den berühmtesten Menschen des Landes zählt, ist er hier nahezu unbekannt.

So wie seine Comics. Die sind, für hiesige Leser, sicher schwierig. Sie sind naiv. Fast alle handeln von einer Bande Kinder, mehrheitlich gesammelt um das Mädchen Monica. Ähnlich wie Entenhausen, oder meinetwegen Fuxholzen, teilen sie nicht zwingend eine gemeinsame Kontinuität, aber doch einen gemeinsamen Hintergrund, vor dem die Figuren in zehntausenden Comicepisoden in Gang gesetzt und kombiniert werden.

Zielgruppe sind sicher Kinder vor allem aus dem Schulanfangsalter, aber natürlich hat de Souza, genau wie Disney und Kauka, erwachsene Leser, die, von seinen Comics geprägt, diese ihr Leben lang verfolgen.

Hier zeigen sich die Unterschiede zwischen brasilianischem und westeuropäischem Kindercomic, womöglich auch zwischen dem Verständnis von Kindern an sich dort und hier. „Pelezinho“, aber nicht nur er, wirkt aus hiesiger Sicht veraltet, nicht nur aufgrund der naiven Grafik.

Der Comic soll lose auf der Kindheit des Mega-Fußballers Pele basieren, aber das ist für die eigentlichen Episoden wohl egal. Pelezinho ist ein superbegabtes Fußballwunderkind, das mit seinen Kickerkünsten sogar Gauner fängt, bizarren Wissenschaftlern das Handwerk legt, vor allem aber mit seiner Bande im dauernden Wettstreit zu anderen Fußballcliquen steht.

Die Figur ist eher am Rande des „Monica“-Universums angelegt, was für den deutschen Leser erstmal gut ist. Sie folgt ansonsten nach den selben Prinzipien vier- bis achtseitiger Geschichten. Wirkliche Konflikte gibt es kaum, die Episoden dienen vor allem dazu, visuelle Gags zum Thema Fußball anzubringen.

Das hohe Tempo und dichte Plotting etwa moderner italienischer Disney-Comics erreichen die Episoden kaum. Der Humor ist sympathisch, so wie die Figuren liebenswert sind, aber doch etwas behäbig. Es steckt eine idealisierende Weltsicht dahinter, die konsequent jede braislianische Alltagsrealität ausblendet. Es gibt keine Armut, und Kriminalität bedeutet höchstens einen gestreiften Anzug und Aufenthalt in einem recht gemütlichen Gefängnis.

Das soll nicht negativ klingen. „Pelezinho“ bedeutet Einlesearbeit, auch den Willen, sich auf den braven, nichtsdesttotrotz liebenswerten Humor einzulassen. Seine größte Leistung – das größte Wagnis dieses Bandes – ist es sicher, dass er überhaupt erschienen ist, als verblüffender, kleiner Einblick in eine vollkommen fremde Comickultur, die Brasiliens, und als Einblick in das Werk eines der wichtigsten Comicschaffenden dieses Planeten.

Rieder Verlag, 96 S.; €12,95

PS: Hier finden Sie ein Gespräch von Mauricio de Sousa mit mir auf der Frankfurter Buchmesse.

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