„Vasmers Bruder“ schliesst die Reihe von Peer Meters Comicbiografien realer deutscher Serienmörder ab. Wie jeder der Bände weiß auch dieser grafisch zu überzeugen. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Bänden schwächelt dieser freilich massiv.

2010 waren in Erlangen diverse Originalseiten des damals noch unvollendeten Comics zu sehen. Schon damals war klar: das wird ein Monster. Nicht nur zu lesen. Sondern auch zu zeichnen und zu drucken.

Bassewitz‘ Seiten, deutlich größer als im Buchformat und hinter Glas, zeigten vor allem eins: eine Orgie aus verschiedenen Schwarz- und Grautönen. (Wer behauptet, es gäbe nur ein Schwarz, hat die Seiten nicht gesehen.)

Als wollte er dem Blatt das Weiss austreiben, waren sie meisterliche Beispiele dafür, wie man ohne Licht erzählt. Und das in einer Geschichte, die mehrheitlich im verschneiten Polen spielt.

Das der Band erst vier Jahre später erschien, dürfte auch damit zu tun haben. Mit Bassewitz‘ atemberaubenden Perfektionismus, nahzeulichtlose photorealistische Schattenkompositionen zu entwerfen. Und mit der Schwierigkeit, das lesbar zu drucken.

Die Edition bei Carlsen tut ihr Bestes, und wenn sie scheitert, dann daran, dass sie über die grafische Komponente hinaus kein besonders guter Comic ist. Peer Meter ist Experte für Serienmörder, das hat er in „Haarmann“ mit Isabel Kreitz und „Gift“ mit Barbara Yelin belegt. Beide Titel zeigten allerdings bereits seine Abhängigkeit vom Zeichner: die Szenarios selbst waren eher spröde, dokumentarisch, kaum auf Erzählung ausgelegt.

„Vasmers Bruder“ stellt das Extrem dieser dokumentarischen Darstellung dar. Da, wo jede Handlung sich auflöst zugunsten ein paar spröder Fakten – und viel Seitenschinderei drumrum.

Das ist die Rahmenhandlung um einen jungen Mann (der titelgebende Vasmer), der seinen Bruder sucht, ausgerechnet in der Stadt, in der Karl Denke Jahrzehnte vorher seine Morde begangen hat, bleibt alles skizzenhaft, roh, nicht zu Ende ausfabuliert. Die erzwungene Rahmenhandlung sowieso, deren Verknüpfung mit Denkes Morden von Anfang an gewollt scheint.

Das mag man noch einsehen. Dieser Vasmer ist fiktiv, einer der seltenen Fälle, in denen Meter die sicheren Pfade der historischen Realität verlässt.

Genauso skizzenhaft aber Denkes Morde, sein Leben, sein Umfeld, also der wohl eigentliche Zweck des Comics. Vieles wird erst im Nachwort erklärt. Wozu brauche ich einen Comic, wenn ich ein Nachwort brauche, um ihn zu verstehen? Karl Denke bleibt eine Schattengestalt. Das fügt sich in die Grafik des Bandes. Lässt mich zumindest aber doch unbefriedigt nach der Lektüre zurück. Nicht aus Blutgier, sondern weil ich von einem Buch mehr erwarte, als ich aus Wikipedia lernen kann.

„Vasmers Bruder“ scheitert an sich selbst. An seiner unbrüderlichen Zwiegespaltenheit, zwei Geschichten miteinander zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben.

Und doch, Bassewitz‘ atemberaubende Seiten, die dem Betrachter buchstäblich Räume eröffnen, auch wenn es meist sehr dunkle und tiefe Räume sind – nein, schlechtfinden kann ich „Vasmers Bruder“ nicht. Er ist eine Erfahrung. Aber auch ein sehr mäßiger Comic.

Peer Meter/ David von Bassewitz: Vasmers Bruder
Carlsen Comics, 176 S., € 17,90

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