Lange Zeit war der frankobelgische Funny-Comic fast ganz in der Versenkung verschwunden. Mit den Schlümpfen, prominent beim Splitter-Verlag aufgestellt, deutet sich eine Trendwende an. Aber was versprechen die neuen Schlumpf-Comics, und was halten sie?

Probleme gibt’s: wer soll denn das Schlumpfdorf leiten, wenn Papa Schlumpf Termine außerorts hat? Als ob es da viel zu leiten gäbe, in einer Gesellschaft starrer Rollenmuster. Der Bäckerschlumpf bäckt, der Malerschlumpf malt, der Faulenzerschlumpf… nun, das Prinzip ist klar.

Die Schlümpfe gelten heutzutage als Kinderunterhaltung, nicht zuletzt aufgrund der mäßigen, aber dauernd wiederholten Trickfilmserie aus den Achtzigerjahren. Es steht zu erwarten, dass der für Herbst diesen Jahres angekündigte Kinofilm diesen Ruf zementieren wird. Der erste Trailer läßt schlimmes erwarten.

Vergessen wird, dass die von Pierre Culliford alias Peyo erfundenen Blaugnome zu Beginn eine veritable Satire waren. Das Schlumpfdorf war ein Soziotop, in dem Themen wie Demokratie, Rassismus, Femininismus oder Kapitalbildung abgehandelt werden konnten. Ganz vergleichbar dem großen Klassiker „Asterix“ waren die Schlumpfcomics auf mehreren Ebenen lesbar, und wenigstens eine davon war immer sehr intelligent.

Peyo verstarb 1992, seither wird das Schlumpfimperium, längst zu einer gewaltigen Geldmaschine aus Merchandising, Filmen und, ja, auch Comics geworden, von seinem Sohn geleitet. Damit einher ist eine Verwässerung der Idee gegangen, die sich deutlich am jüngsten auf deutsch erschienenen Schlumpf-Comic „Schlumpfine greift ein“ zeigt.

Schlumpfine also leitet das Schlumpfdorf in diesem Band. Zementierung von Rollenmustern statt Emanzipation: im roten Röckchen führt sie die Staatsgeschäfte kommissarisch, bis der große alte Schlumpf wieder da ist. Stets ein bißchen merkelig, eher Mutti als Boß, löst sie mit Seife und Spucke jedes Problem. Und als aufgrund des bösen Zaberers Gargamel die Sache fürchterlich aus dem Ruder gerät, biegt Schlumpfine alles wieder hin – mit Sachen aus ihrem Handtäschlein.

Natürlich muss man sich zuerst einmal freuen, dass die Schlümpfe überhaupt wieder da sind. Jahrelang war der Klassiker in deutscher Sprache gar nicht erhältlich. Die Auferstehung ist dem Engagement des Bielefelder Splitter-Verlages zu verdanken. Noch dazu mustergültig: geplant ist eine chronologische Gesamtausgabe aller Episoden, ein Großteil davon deutsche Erstveröffentlichungen.

Und doch, ganz will keine Zufriedenheit aufkommen: es fehlt dieser, der fast jüngsten Schlumpf-Episode, an Esprit und Intelligenz der Peyo-Geschichten. Das wird grade angesichts der parallel dazu ebenfalls wiederveröffentlichten allerersten Schlumpfgeschichte deutlich: „Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe“, ein satirisches Garn über die Zerbrechlichkeit einer Gemeinschaft.

Es bleibt abzuwarten, ob dies ein einmaliger Ausrutscher war oder sinnbildlich für die Qualität der modernen Schlumpfgeschichten steht. 14 Alben will der Verlag bis zum Herbst veröffentlichen, die Hälfte davon modernes Material.

Toonfish/ Splitter Verlag, 48 S.; € 11,95

Geringfügig veränderte Fassung meines Artikels für die Frankfurter Rundschau, in dieser Version erstellt für die Comic Combo Leipzig.

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  • 2 Responses to “Aktuelle Comicrezension (173): Die Schlümpfe”

    1. Stefan Pannor » Blog Archive » Großer Adler hilf: Yakari-Magazin und DVD zu gewinnen! says:

      […] der erste “Yakari”-Comic, bereits damals gezeichnet von Derib und getextet von Job. Derib war einer der Schüler des “Schlümpfe”-Erfinders Peyo, was man der Albenreihe von Anfang an ansah: die Comics vereinten Deribs Hang zur naturalistischen […]

    2. Stefan Pannor » Blog Archive » Der Rest vorm Fest (11): Johann und Pfiffikus says:

      […] Es merkelt im Schlumpfdorf […]