Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: die definitive Ausgabe des „Schlümpfe“-Vorläufers „Johann und Pfiffikus“.

Das bedauerlichste an den meisten deutschsprachigen Ausgaben von Peyos Ritterserie „Johann und Pfiffikus“ ist vielleicht der deutsche Titel. Im Original heisst Knappe Johanns Begleiter „Pirlouit“, und nichts gibt den verschmitzen, leicht diebisch-verspielten Charakter der besten Alben der Serie besser wieder als dieser dem Ruf des Kiebitz nachempfundene Name.

Wie überhaupt diese Serie in Deutschland immer ein wenig unter Wert verkauft wurde. Erst als Lückenbüsser, gräßlich verkalauert, in Rolf Kaukas diversen „Fix & Foxi“-Publikationen, danach chaotisch durcheinandergewürfelt bei Carlsen als Albenserie (aber immerhin weitgehend komplett).

Das mag daran liegen, dass die Serie schon im Original nie so Recht Gelegenheit hatte, zu voller Blüte zu reifen. Begonnen als relativ konventionelle Mantel-&-Degen-Serie mit leichten Slapstick-Anwandlungen um die Abenteuer des Knappen Johann, gibt es zwei markante Wendepunkte in der Serie. Zum einen der Auftritt von Pfiffikus-Pirlouit“ als ständigem Begleiter ab Band drei.

Ab da wandelte sich der Tonfall der Serie hin zu deutlich spassigeren Geschichten. Durch das Wechselspiel der gegensätzlichen Titelfiguren, dem ernsten Johann und dem verspielten Pfiffikus, verdichtete sich der Humor der Serie. Hier begann ihr Höhenflug.

Zum anderen der erste Auftritt der Schlümpfe im neunten Abenteuer der beiden. Spätestens ab hier lässt sich ein deutlicher Hang zu leichter Fantasy bemerken, mit dem vermehrten Auftritt von Sagengestalten und Zauberern.

Vergleiche mit seinen anderen Serien zeigen, dass Peyo da am Besten war, wo er milde satirische Seitenhiebe auf menschliche Schwächen mit phantastischen Elementen verbinden konnte, sei es bei den Schlümpfen oder dem superkräftigen Knaben Benny Bärenstark.

Durch den permanenten Wandel gelang es „Johann und Pfiffikus“ freilich nie, ein wirklich eigenes Profil zu gewinnen. Erst Ritterserie, dann Ritterkomödie, schliesslich – bedingt durch den gewaltigen Erfolg der Schlümpfe – ein Anhängsel für die Abenteuer der blauen Gnome.

Als Peyo schliesslich die Schlümpfe aufgrund des Leserinteresses in ihre eigene Serie umsiedelte, erlosch sein Interesse an „Johann und Pfiffikus“ beinahe schlagartig.

Genau wie das seiner Erben. Nur vier neue Abenteuer wurden nach Peyos Tod Anfang der Neunzigerjahre von seinen Nachfolgern fertiggestellt, ganz im Gegensatz zu den Dutzenden kurzer und langer „Schlumpf“-Comics seitdem.

Das ist schade. Denn blendet man die – tatsächlich interessanteren – „Schlümpfe“ aus und sieht man über die Schwächen der frühesten Abenteuer hinweg (die zugleich Peyos erste lange Comics waren), bleiben immer noch zwei Handvoll sehr guter, charamanter und spannender Mittelalter-Funnies.

Zwar inszeniert Peyo darin meist nur die üblichen Geschichten von adligen Renegaten, Erbschaftsstreiten, Landstreitereien und derlei mehr. Aber er tut es, wie in fast allen seinen Comics, mit ironischer, poetischer Leichtigkeit, die keiner seiner Erben so je wieder einfangen konnte.

Es ist Peyos Ausflug ins Reich der Erwachsenen und der Abenteuercomics. Aus heutiger Sicht vielleicht ein wenig nostalgisch, aber auch etwas reifer und ernsthafter als seine anderen Comics.

Von den großen der frankobelgischen Comics zählt Peyo trotz seines „Schlümpfe“-bedingten Ruhms zu den Unterschätztesten, immer ein wenig in die naiv-kindliche Ecke gedrängt – zu Unrecht, wie grade „Johann und Pfiffikus“ zeigen. Peyo war ein vielfältiger und intelligenter Erzähler.

Die jüngst begonnene Gesamtausgabe aller „Johann und Pfiffikus“-Geschichten in chronologischer Reihenfolge – fünf Bände werden es wohl werden – ist gegebener Anlass für den deutschen Leser, das zu entdecken

Toonfisch, 180 – 240 Seiten pro Band, € 29,95

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