Stefan Pannor

Am 8. Mai ist bundesweit der erste Gratis Comic Tag. An diesem Tag erscheinen 30 Comichefte von 16 Verlagen, die von interessierter Kundschaft in rund 150 Comicshops und Buchhandlungen im deutschen Sprachraum mitgenommen werden können. Gratis.

Was sind das für Hefte? Ein kleiner, vollkommen subjektiver, keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebender Wegweiser durch den Gratis-Comic-Dschungel. (Nach dem Break.)

Saverio Tenuta
Die Legende der scharlachroten Wolken. (Splitter)

Auf jeden Fall ein hervorragender Deal: das vollständige erste Album der Serie, leicht verkleinert, aber ohne Kürzungen und Umstellungen. (Gibts auch mit anderen Titeln bei Reprodukt, Carlsen und der Edition Moderne. Hier zahlt sich die europäische Comictradition mit ihren im Vergleich zur amerikanischen deutlich umfangreicheren Erzählungen für den Kunden Mitnehmer aus.)

Inhaltlich irgendwo zwischen klassischen Ronin-Mangas a la Okami und frankobelgischer Metzel-Orgie angelegt, übertrifft die graphische Wucht dieser Erzählung aus dem japanischen Mittelalter die erzählerische beiweitem. Blutgierige Eiswölfe und sadistische Samurai, dazwischen ein als Mönch verkleideter Held, ein schönes Mädchen und ein weiblicher Shogun mit gebrochenem Herzen. So viel auf einmal, dass sich die Handlung gelegentlich selbst auf die Füße tritt. Etwas mehr erzählerische Ruhe hätte den wunderschönen Bildern vom schneebeckten Japan gut getan.

Romano Scarpa
Micky Maus – Das (Alb-)Traumhaus (Ehapa)

Vor einigen Jahren erschien zum Free Comic Book Day in den Staaten ein Heft mit Geschichten des amerikanischen Micky-Maus-Altmeisters Floyd Gottfredson. Im Vergleich dazu fällt diese Geschichte um ein spukiges bis durchgeknalltes Ferienhaus des europäischen Micky-Altmeisters doch deutlich ab, dessen Handlungsaufbau eher im mittleren Überzeugungsbereich liegt.

Immerhin hat das Heft diese faszinierende psychedelische Farbgebung, wie sie die Italiener bis (mindestens) in die Siebzigerjahre hinein produziert haben: Holz ist rosa, Stein ist gelb und Erde orange. Ein Glück, dass der Himmel blau ist! Und es ist lobenswert, dass für die erste Disney-GCT-Publikation Micky Maus ausgewählt wurde, der doch sonst in Deutschland neben dem Disney-Clan * Duck-Clan stets die zweite, dritte oder vierte Geige spielt. Ein schönes, wenn auch nicht überragendes Heft.

*Denkfehler ausgemerzt.

Dupa
Cubitus (Piredda)

Zusammenstellung vor allem später Folgen der One-Pager-Reihe um den fetten, faulen und filosofischen Kater Hund. Wie typisch für diese Episoden alle etwas surreal (man beachte Details wie das Gepäckstück in Knochenform) und angenehm von jeder erzählerischen Kontinuität befreit, aber dafür in der Regel schwach auf der Pointenbrust. Andreas Platthaus hat vor geraumer Weile im FAZ-Blog ein paar treffende Worte gefunden.

Höhepunkt: eine sechsseitige Western-Geschichte über Calamity-Jane mit Pferden anstelle von Hunden. Charmant, aber vielleicht wären einige der früheren Episoden besser gekommen.

Will Eisner
The Spirit (Salleck)

Noch ein Klassiker, diesmal in Bestform: Salleck hat vier Kurzgeschichten um den Meisterdetektiv und seine Femme fatales heraus gesucht, die allesamt nach 1945 entstanden, als Eisner zu erzählerischer Bestform auflief. Die ausgewählten Episoden sind eher dem leichteren Teil der Spirit-Epsisoden zuzuordnen, ironische bis selbstironische Stückchen, voll von Bild- und Wortwitz und als solche äußerst angenehm zu lesen.

Sehr schön: keine der Geschichten überschneidet sich mit dem überaus empfehlenswerten Best-of-Spirit-Band aus dem gleichen Hause, den sich der geneigte Leser gleich mit zulegen sollte.

Diverse
Iron Man/ Die Rächer (Panini)

Zwei Superheldengeschichten in einem Heft passend zum aktuellen Kinofilm. Die Titelstory kann man dabei getrost vergessen, ein nettes, aber absolut nicht neues Garn um einen durchgeknallten Computer, der der Meinung ist, die Menschheit vernichten zu müssen, weil die Menschheit sich sowieso von selbst vernichtet. Iron Man rettet den Tag, und unterm Strich bleibt eine Öko-Botschaft mit dem Holzhammer, die zwar nicht falsch ist, aber nervig.

Besser da die zweite Geschichte, verfasst von Brian Bendis, was schon mal heißt, dass die Dialoge Spaß machen. Jim Cheung zeichnet zudem eine atemberaubende Kulisse von New York im Schnee.  Passt vielleicht nicht ganz zur Jahreszeit, ist aber ungeheuer atmosphärisch. Einen durchgeknallten Gott gibt’s obendrauf. Action, Dialogwitz und ein Hauch von frostiger Melancholie.

Julien Neel
Lou (Tokyopop)

Fraglos eine der Entdeckungen des diesjährigen GCT! Charmante Onepager um die kleine Lou, die mit ihrer videospielverrückten Mutter, aber ohne Vater lebt, hoffnunglos verknallt ist in den Jungen von nebenan und versucht, Mama unter die Haube zu kriegen. Eine süße Katze hat sie auch noch.

Dezenter Manga-Einfluß, viel Charme und ein Hauch von Realismus. Eine Verwandte im Geiste der von mir übersetzten Amelia? Sehr flüssig zu lesen, trotz oder möglicherweise wegen der gelegentlich arg quietschigen Zeichnungen. Das Heft druckt eine Auswahl der Episoden aus den ab Herbst kommenden Buchausgaben ab. Vormerken!

Eine Liste aller teilnehmenden Läden findet sich hier.

Teil 2 des Rundown hier.
Teil 3 des Rundown hier.

Am 8. Mai ist bundesweit der erste Gratis Comic Tag. An diesem Tag erscheinen 30 Comichefte von 16 Verlagen, die von interessierter Kundschaft in rund 150 Comicshops und Buchhandlungen im...

This entry was posted on Donnerstag, Mai 6th, 2010 at 22:47 and is filed under Gelesenes. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.